Historie und Entwicklung der Mobilfunksysteme

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Vorläufer der heutigen Mobilfunknetze


Heutzutage (2011) weiß jedes Kind, was Mobilfunk ist, und nur wenige Jugendliche können sich heute vorstellen, dass auch ein Leben ohne Handy, SMS und die unzähligen Mobilfunk–Features möglich ist. Noch vor zwanzig Jahren war das völlig anders: Nur einige wenige wussten von der Existenz solcher Systeme und noch weniger hatten jemals ein solches Gerät in der Hand.

Wichtige Voraussetzung für die Realisierung mobiler Kommunikationssysteme ist die Theorie der elektromagnetischen Wellen, die James C. Maxwell 1864 entwickelt hat und von Heinrich Hertz entscheidend weiterentwickelt wurde. Ein weiterer großartiger Pionier der Funktechnik war Guglielmo M. Marconi, der 1896 die drahtlose Telegrafie erstmals öffentlich demonstrierte und dem 1901 die erste Transatlantik–Funkübertragung gelang. 1909 erhielt er für seine Erfindungen den Nobelpreis.

Da die Marconi–Technik auch in der Transatlantik–Schifffahrt intensive Anwendung fand und deren Nutzung nach dem Untergang der Titanic (1912) sogar vorgeschrieben wurde, kann man die Entstehung mobiler Kommunikationssysteme etwa auf den Beginn des 20. Jahrhunderts datieren.

Das erste Mobilfunknetz in Deutschland war das 1958 in Betrieb genommene und 1977 stillgelegte A–Netz, das im Frequenzbereich von 156 MHz bis 174 MHz mit analoger Frequenzmodulation (FM) arbeitete und bundesweit von bis zu 11000 Teilnehmern (aber sicher nicht gleichzeitig) genutzt wurde. Die Sendetechnik füllte den Kofferraum großer Limousinen.

Auch das von 1972 bis 1994 betriebene B–Netz basierte auf analoger FM um 150 MHz. Dieses wurde zu seiner Blütezeit um 1985 von 27000 Teilnehmern genutzt und stellte 850 Funkkanäle zur Verfügung, wobei die Wiederverwendung gleicher Frequenzen in genügend weit voneinander entfernten Funkzellen berücksichtigt ist. Das Volumen der Sende– und Empfangseinrichtungen war aufgrund der zwischenzeitlichen Fortschritte auf dem Gebiet der Mikroelektronik deutlich kleiner als beim A–Netz.

Als letztes Vorgängermodell der heutigen Systeme ist das noch ebenfalls analog aufgebaute C–Netz in einem Frequenzbereich um 450 MHz zu nennen, das in Deutschland in den Jahren zwischen 1986 und 2000 von der Deutschen Bundespost betrieben wurde. Es hatte 1993 seine maximale Teilnehmerzahl von 850000, bot eine Flächenabdeckung von immerhin 98% und stellte mit „Handover” und „Roaming” auch schon einige Features bereit, die bei den nachfolgenden Mobilfunkgenerationen zum Standard wurden.

Das C–Netz rechnet man zur ersten Mobilfunkgeneration wie auch einige andere nahezu zeitgleich entstandene zellulare Systeme in anderen Ländern:

  • AMPS (Advanced Mobile Phone Service), Bell Labs, USA, 1979,
  • ACS (Advanced Cellular Sytem), Fa. Comvik, Schweden, 1981,
  • NMT (Nordic Mobile Telephone), Schweden–Norwegen–Dänemark, 1981 und 1986,
  • TACS (Total Access Communication Standard), Großbritanien, 1985,
  • RTMS (Radio Telephone Mobile System), Italien, 1985,
  • RC 2000 (Radio Com 2000), Frankreich, 1986.

Mobilfunksysteme der zweiten Generation


Alle vorne genannten Mobilfunksysteme der ersten Generation (1G) waren nationale Lösungen mit folgender Konsequenz:

  • Es war nicht möglich, zwischen den einzelnen Systemen zu kommunizieren.
  • Die Endgeräte (von „Handy” sollte man noch nicht reden) ließen sich nur im jeweiligen Netz einsetzen, wodurch der Markt sehr eingeschränkt war und der wirtschaftliche Erfolg ausblieb.

Anfang der 1980er Jahre gab es schon erste Bestrebungen zu einer Systemvereinheitlichung. Es entstand die zweite Generation (2G) von Mobilfunksystemen, gekennzeichnet durch

  • eine durchgehend digitale Sprachübertragung,
  • die Bereitstellung von Datendiensten.

Bei den Mobilfunksystemen der zweiten Generation ist die Sprachübertragung die zentrale Aufgabe und die Datenübertragung eher sekundär, wohingegen ein Kennzeichen der dritten Generation – zum Beispiel von UMTS – das so genannte „mobile Internet” ist.

Der bedeutenste 2G–Mobilfunkstandard ist GSMGlobal System for Mobile Communications. Dieses im Kapitel 3.3 vorgestellte System ist nicht nur in Europa weit verbreitet, sondern es haben sich diesem Standard auch viele Regionen weltweit angeschlossen. GSM war und ist die am schnellsten wachsende Kommunikationstechnologie aller Zeiten.

Die derzeit (2011) eingesetzten GSM–Systeme sind

  • GSM 900: Frequenzen um 900 MHz (D–Netze; in Deutschland TD1 und Vodafone D2)
    ,
  • GSM/DCS 1800: Frequenzbereich um 1.8 GHz (E–Netze; in Deutschland alle Betreiber),
  • GSM/PCS 1900: Frequenzbereich um 1.9 GHz (vorwiegend in den USA eingesetzt).

Daneben werden zu den Mobilfunksystemen der zweiten Generation auch gezählt:

  • das 1993 in Japan in Betrieb gegangene PDC–Netz (Personal Digital Cellular),
  • der „Schnurlos–Standard” DECT (Digital Enhanced Cordless Telecommunications),
  • die Satellitensystemstandards LEO (Low Earth Orbit) und MEO (Medium Earth Orbit),
  • terrestrische Flugfunknetze  ⇒  TFTS (Terrestrical Flight Telephone System),
  • Versuchsnetze in den USA wie D–AMPS und Qualcomm–CDMA.

Schließlich zählt man zu den 2G–Mobilfunksystemen auch „Drahtlose Teilnehmeranschlüsse” mit sehr begrenzter Mobilität wie WLL (Wireless Local Loop) und RLL (Radio in the Local Loop).

Die Entstehungsgeschichte von GSM


Der GSM–Standard wurde um 1990 mit dem Ziel eingeführt, ein einheitliches paneuropäisches mobiles Telefonsystem und –netz anbieten zu können. Die Nutzung zur Datenübertragung stand zunächst nicht im Mittelpunkt, wurde aber seitdem durch Zusatzspezifikationen hinsichtlich Datenrate stetig verbessert.

Nachfolgend einige Daten zur historischen Entwicklung von GSM:

  • 1982  Bei der „Conférence Européenne des Postes et Télécommunications” (CEPT) wird die Groupe Spécial Mobile – abgekürzt GSM – eingerichtet.
  • 1987  Es wird eine Kooperation zwischen 17 zukünftigen Betreibern aus 15 europäischen Ländern gebildet und mit der GSM–Spezifikation begonnen.
  • 1990  Die Phase 1 der GSM 900-Spezifikation (für 900 MHz) wird abgeschlossen. Es beginnt die Anpassung für das System GSM/DCS 1800 (Digital Cellular System) um die Frequenz 1.8 GHz.
  • 1992  Die meisten europäischen GSM–Netzbetreiber beginnen den kommerziellen Betrieb mit Sprachdiensten. Ende 1992 sind bereits dreizehn Netze in sieben Ländern „on air”.
  • 1995  Die Phase 2 der Standardisierung beginnt und beinhaltet Fax, Daten und SMS–Roaming sowie Anpassungen für GSM/PCS1900, das im selben Jahr in den USA in Betrieb geht.
  • 1999  Mit der Einführung von WAP (Wireless Application Protocol) wird es erstmals möglich, Inhalte des Internets und andere interaktive Dienstangebote auf Mobilgeräte zu übertragen.
  • 1999  Durch die Einführung von HSCSD (High Speed Circuit–Switched Data) wird die Datenrate von 9.6 auf 14.4 kbit/s erhöht; durch Bündelung von vier TDMA–Kanälen weiter auf 57.6 kbit/s.
  • 2000  Die Erweiterung GPRS (General Packet Radio Service) vereinfacht den drahtlosen Zugang zu paketvermittelten Datennetzen. Die maximale Datenrate beträgt (theoretisch) 171 kbit/s.
  • 2000  Mit der Phase 2+ wird EDGE (Enhanced Data Rates for GSM Evolution) definiert, womit die GPRS–Rate theoretisch verdreifacht werden könnte. Tatsächlich erreicht man nur 384 kbit/s.
  • 2006   T–Mobile beginnt als erster deutscher Mobilfunkanbieter mit der Bereitstellung von EDGE. In den nächsten Jahren ziehen in Deutschland die Betreiber Vodafone, O2 und E–Plus nach.

Datenrate bei GSM und seinen Weiterentwicklungen

Die Grafik zeigt die Entwicklung der GSM–Datenübertragungsrate in linearem Maßstab. Die Abszisse bezeichnet das Jahr der Markteinführung (in Deutschland), nicht die Standardisierung.

Mobilfunksysteme der dritten Generation (1)


Schon kurz nach der GSM–Standardisierung zeigte sich, dass damit der Bandbreitenbedarf zur Nutzung multimedialer Dienste nicht gedeckt werden kann. Die nächste, dritte Generation von Mobilfunksystemen sollte auf CDMA (Code Division Multiple Access) basieren.

Wesentliche Vorarbeiten waren:

  • 1949 Erste Ideen zum CDMA–Verfahren durch Claude E. Shannon und John R. Pierce.
  • 1970 Verschiedene CDMA–Entwicklungen für militärische Systeme, beispielsweise GPS.
  • 1989–1992 Grundlagenforschung zu den Eigenschaften zukünftiger Mobilfunksysteme im Rahmen des EU–Programms RACE–1 (Research, Analysis, Communication, Evaluation).
  • 1992–1995 EU–Programm RACE–2. Schwerpunkt „Entwicklung von Systemkonzepten”, basierend auf den Ergebnissen von RACE–1.

Erste Überlegungen zum Standard IMT–2000 (International Mobile Telecommunications at 2000 MHz) wurden von der ITU 1992 angestellt. Daraus entwickelte sich mit UMTS (Universal Mobile Telecommunications Systems) das bekannteste Mobilfunksystem der dritten Generation (3G). Bis zur Markteinführung in Deutschland (2004) waren aber noch einige Zwischenschritte nötig:

  • 1996 Gründung des UMTS–Forums in Zürich – Umbenennung des geplanten europäischen Standards „W–CDMA” in „UMTS”.
  • 1998 Übernahme der Modi „W–CDMA” und „TD–CDMA” in den UMTS–Standard auf der ETSI–SMG–Sitzung in Paris.
  • 1998 Gründung des 3gpp–Forums (3rd Generation Partnership Project) durch die Gremien ETSI–SMG, T1P1, ARIB TTC und TTA.
  • 1999 Verabschiedung des Standards UMTS–R99 (Release 1999) durch die ETSI. Dieser gilt als Basis für die ersten verfügbaren UMTS–Endgeräte.
  • 2001 UMTS Release 4 als Weiterentwicklung von UMTS–R99: Quality of Service (QoS) wird nun nicht nur an der Funkschnittstelle, sondern auch im Festnetz unterstützt.
  • 2001 Erstes kommerzielle UMTS–Netz des norwegischen Unternehmens TELENOR.
  • 2002 UMTS Release 5: Die an das GSM–Festnetz angelehnte Architektur wird durch ein vollständig IP–basiertes Netz ersetzt. Zusätzlich erfolgt die Definition von HSDPA.
  • 2002 Erste UMTS–Sprach– und Datenverbindung von Nortel Networks und Qualcomm. Damit gelten diese beiden Firmen als Vorreiter bei der Umsetzung der UMTS–Technologie.
  • 2005 UMTS Release 6, womit dem Nutzer ein verbesserter QoS und dem Anbieter eine effektivere Ressourcenverwaltung geboten wird. Daneben Definition von HSUPA.
  • 2007 UMTS Release 7. Berücksichtigung von Realzeitapplikationen wie VoIP (Voice over IP) und Evolved EDGE (nur kurz nach der Markteinführung von 2G–EDGE).