Die Charakteristika von UMTS

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Anforderungen an Mobilfunksysteme der dritten Generation


Die wichtigste Motivation zur Entwicklung von Mobilfunksystemen der dritten Generation war die Erkenntnis, dass die 2G–Systeme den Bandbreitenbedarf zur Nutzung multimedialer Dienste nicht zufrieden stellen konnten. Die Grafik zeigt die Entwicklung der Mobilfunksysteme seit 1995 hinsichtlich der Leistungsfähigkeit. Die angegebenen Datenraten sind für heute (2011) realistisch, wenn nicht mehr als zwei Nutzer in einer Zelle aktiv sind. Die von Anbietern oft angegebenen Maximalwerte werden in der Praxis wahrscheinlich nicht erreicht.

Entwicklung der Mobilfunksysteme

Die Mobilfunksysteme der dritten Generation sollen über eine größere Bandbreite und eine genügende Reserve an Leistungsfähigkeit verfügen, um auch bei wachsenden Anforderungen eine hohe Dienstgüte (englisch: Quality of Service, QoS) gewährleisten zu können.

Vor der Entwicklung der 3G–Systeme hat die International Telecommunication Union (ITU) unter anderem einen Anforderungskatalog erstellt, der folgende Rahmenbedingungen umfasst:

  • Hohe Datenraten von 144 kbit/s (Standard) bis 2 Mbit/s (In-door),
  • symmetrische und asymmetrische Datenübertragung (IP–Dienste),
  • leitungsvermittelte (circuit–switched) und paketvermittelte (packed–switched) Übertragung,
  • hohe Sprachqualität und hohe Spektraleffizienz, globale Erreichbarkeit und Verbreitung,
  • nahtloser Übergang von und zu den Systemen der zweiten Generation,
  • Anwendbarkeit unabhängig vom verwendeten Netz (Virtual Home Environment).

Bei der Einführung von UMTS (Universal Mobile Telecommunication System) als dem bekanntesten 3G–Standard war die Erweiterung und Diversifikation der angebotenen Dienste ein entscheidendes Motiv. Ein UMTS–fähiges Endgerät muss zusätzlich zu den klassischen Diensten (Sprachübertragung, Messaging, usw.) eine Reihe komplexer und multimedialer Anwendungen unterstützen, unter anderem

  • hinsichtlich Information: Internet–Surfen (Info–on–demand), Online–Printmedien,
  • hinsichtlich Kommunikation: Video– und Audiokonferenz, Fax, ISDN, Messaging,
  • hinsichtlich Unterhaltung: Mobile TV, Video–on–Demand, Online–Gaming,
  • im geschäftlichen Bereich: Interaktives Einkaufen, E–Commerce,
  • im technischen Bereich: Online–Betreuung, Distributionsservice (Sprache und Daten),
  • im medizinischen Bereich: Telemedizin.

Der IMT–2000–Standard


Um 1990 wurde von der International Telecommuncation Union (ITU) der Standard IMT-2000 (International Mobile Telecommunications at the year 2000) ins Leben gerufen, der die genannten Anforderungen ermöglichen sollte. IMT–2000 umfasst einige Mobilfunksysteme der dritten Generation, die im Laufe der Standardisierung einander angenähert wurden, um die Entwicklung von gemeinsamen Endgeräten für alle diese Standards zu ermöglichen.

Um unterschiedliche Vorarbeiten zu berücksichtigen und den Netzbetreibern die Möglichkeit zu geben, bereits bestehende Netzarchitekturen zum Teil weiter zu verwenden, beinhaltet IMT–2000 mehrere Einzelstandards. Diese lassen sich grob in vier Kategorien einteilen:

  • W–CDMA: Dazu zählt man die FDD-Komponente des europäischen UMTS–Standards sowie das amerikanische cdma2000–System.
  • TD–CDMA: Zu dieser Gruppe zählt die TDD–Komponente von UMTS sowie das chinesische TD–SCDMA, das mittlerweile in den UMTS–TDD–Standard integriert wurde.
  • TDMA: Eine Weiterentwicklung des GSM–Ablegers EDGE und des amerikanischen Pendants UWC–136, auch bekannt als D–AMPS.
  • FD–TDMA: Die Weiterentwicklung des europäischen Schnurlos–Telefonie–Standards DECT (Digital Enhanced Cordless Telecommunication).

Die IMT–Familie

Wir konzentrieren uns hier auf das in Europa entwickelte Mobilfunksystem UMTS, das die beiden Standards W–CDMA und TD–CDMA der Systemfamilie IMT–2000 unterstützt, und zwar unter folgenden Bezeichnungen:

  • UTRA–FDD  ⇒  „UMTS Terrestrial Radio Access – Frequency Division Duplex”: Dieses besteht aus zwölf gepaarten Uplink– und Downlink–Frequenzbändern zu je 5 MHz Bandbreite. Diese liegen in Europa zwischen 1920 und 1980 MHz im Uplink sowie zwischen 2110 und 2170 MHz im Downlink. Im Sommer 2000 brachte die Versteigerung der Lizenzen für Deutschland mit 20 Jahren Laufzeit ca. 50 Milliarden Euro.
  • UTRA–TDD ⇒  „UMTS Terrestrial Radio Access – Time Division Duplex”: Hierfür werden fünf Bänder zu je 5 MHz Bandbreite bereitgestellt, in denen mittels Zeitmultiplex sowohl Uplink– als auch Downlink–Daten übertragen werden sollen. Für TDD sind die Frequenzen zwischen 1900 und 1920 MHz (vier Kanäle) und zwischen 2020 und 2025 MHz (ein Kanal) reserviert.

Systemarchitektur und Basiseinheiten bei UMTS


Die Netzwerk–Architektur kann man bei UMTS in zwei Hauptblöcke unterteilen.

Das UMTS Terrestrial Radio Access Network (UTRAN) sichert die Funkübertragung von Daten zwischen der Transportebene und der Funknetzebene. Dazu gehören die Basisstationen und die Kontrollknoten, deren Funktionen nachfolgend genannt werden:

  • Ein Node B – wie eine UMTS–Basisstation genannt wird – umfasst die Antennenanlage sowie den CDMA–Empfänger und ist unmittelbar mit den Funkschnittstellen aller Teilnehmer in der Zelle verbunden. Zu den Aufgaben eines Node B gehören die Datenratenanpassung, Daten– und Kanal(de)codierung, Interleaving sowie Modulation bzw. Demodulation. Jede Basisstation kann eine oder mehrere Zellen(sektoren) versorgen.
  • Der Radio Network Controller (RNC) ist für die Steuerung der Basisstationen verantwortlich. Ebenso ist er innerhalb der Zellen zuständig für die Rufannahmesteuerung, Verschlüsselung und Entschlüsselung, die Umsetzung auf ATM (Asynchronous Tranfer Mode), die Kanalzuweisung, das Handover und die Leistungsregelung.

Das Core Network (CN) übernimmt die Vermittlung der Daten innerhalb des UMTS–Netzes. Dazu enthält es bei Leitungsvermittlung folgende Hardware– und Softwarekomponenten:

  • Das Mobile Switching Center (MSC) ist zuständig für Lokalisierung/Authentifizierung, das Routing von Gesprächen, Handover und Verschlüsselung von Teilnehmerdaten.
  • Das Gateway Mobile Switching Center (GMSC) organisiert die Verbindung zu anderen Netzen, zum Beispiel zum Festnetz.

Die Grafik zeigt die UMTS–Architektur bei Leitungsvermittlung (englisch: Circuit Switching), wobei das Core Network (CN) ähnlich wie bei der GSM–Architektur organisiert ist.

UMTS–Zugangsebene (bei Leitungsvermittlung)

Die Systemarchitektur bei Paketvermittlung (englisch: Packet Switching) unterscheidet sich demgegenüber grundlegend. Hier nutzen die Kommunikationspartner den ihnen zugewiesenen Kanal nicht exklusiv, sondern die Pakete sind mit denen anderer Teilnehmer vermischt. Man findet dort ähnliche Komponenten wie bei der GSM–Erweiterung General Packet Radio Service (GPRS).

CDMA – Vielfachzugriff bei UMTS


UMTS verwendet das Vielfachzugriffsverfahren Direct Sequence Code Division Multiple Access (DS–CDMA). Dieses Verfahren wird manchmal auch als „PN–Modulation” bezeichnet.

Prinzip und Signalverläufe bei DS–CDMA für zwei Nutzer

Die Grafik zeigt das Prinzip anhand eines vereinfachten Modells und beispielhafter Signale für den Nutzer 1. Zur Vereinfachung ist für die dargestellten Signale das Rauschsignal n(t) = 0 gesetzt. Es gilt:

  • Die beiden Quellensignale q1(t) und q2(t) benutzen den gleichen AWGN–Kanal, ohne sich gegenseitig zu stören. Die Bitdauer der Datensignale beträgt jeweils TB.
  • Jedes der Datensignale wird mit einem zugeordneten Spreizcode – c1(t) bzw. c2(t) – multipliziert. Übertragen wird das Summensignal s(t) = q1(t) · c1(t) + q2(t) · c2(t).
  • Die Bandbreiten von s1(t), s2(t) und Sendesignal s(t) sind um den Spreizfaktor J = TB/TC größer als die Bandbreiten von q1(t) bzw. q2(t). Für die Grafik wurde J = 4 gewählt.
  • Beim Empfänger werden die gleichen Spreizcodes c1(t) bzw. c2(t) multiplikativ zugesetzt. Bei orthogonalen Codes und kleinem AWGN–Rauschen n(t) können dann die Datensignale wieder voneinander getrennt werden. Das heißt, es gilt υ1(t) = q1(t), υ2(t) = q2(t).
  • Bei vorhandenem AWGN–Rauschen unterscheiden sich zwar die digitalen Ausgangssignale von den Eingangssignalen, aber die Fehlerwahrscheinlichkeit wird durch die anderen Teilnehmer nicht erhöht, solange die verwendeten Spreizfolgen orthogonal sind.
  • Man könnte somit im Beispiel J = 4 Teilnehmer ohne Beeinträchtigung über den gleichen Kanal übertragen, allerdings nur dann, wenn es J orthogonale Spreizcodes gibt.

Spreizcodes und Verwürfelung (1)


Die Spreizcodes für UMTS sollen

  • zueinander orthogonal sein, um eine gegenseitige Beeinflussung der Teilnehmer zu vermeiden,
  • eine flexible Realisierung unterschiedlicher Spreizfaktoren J ermöglichen.

Ein Beispiel dafür sind die Codes mit variablem Spreizfaktor (englisch: Orthogonal Variable Spreading Faktor, OVSF), die Codes der Längen von J = 4 bis J = 512 bereitstellen. Diese können, wie in der Grafik zu sehen ist, mit Hilfe eines Codebaums erstellt werden. Dabei entstehen bei jeder Verzweigung aus einem Code C zwei neue Codes (+ C + C) und (+ CC).

OVSF–Codefamilie

Anzumerken ist, dass kein Vorgänger und Nachfolger eines Codes benutzt werden darf. Im Beispiel könnten also acht Spreizcodes mit Spreizfaktor J = 8 verwendet werden oder die vier gelb hinterlegten Codes – einmal mit J = 2, einmal mit J = 4 und zweimal mit J = 8. Beispielsweise können die unteren vier Codes mit dem Spreizfaktor J = 8 nicht herangezogen werden, da sie alle mit „+1 –1” beginnen, was bereits durch den OVSF–Codes Please add link and do not upload flash videos. mit Spreizfaktor J = 2 belegt ist. Der hier dargelegte Sachverhalt wird auch durch das Flash–Interaktionsmodul OVSF–Codes verdeutlicht.

Um mehr Spreizcodes zu erhalten und damit mehr Teilnehmer versorgen zu können, wird nach der Bandspreizung mit c(t) die Folge mit w(t) chipweise nochmals verwürfelt, ohne dass eine weitere Spreizung stattfindet. Der Verwürfelungscode w(t) hat die gleiche Länge und dieselbe Rate wie c(t).

Verwürfelung in UMTS

Durch die Verwürfelung (englisch: Scrambling) verlieren die Codes ihre vollständige Orthogonalität; man nennt sie quasi–othogonal. Bei diesen Codes ist zwar die Kreuzkorrelationsfunktion (KKF) zwischen unterschiedlichen Spreizcodes ungleich null, sie zeichnen sich aber durch eine ausgeprägte Autokorrelationsfunktion um den Nullpunkt aus, was die Detektion am Empfänger erleichtert.

Spreizcodes und Verwürfelung (2)


Die Verwendung quasi–orthogonaler Codes macht Sinn, da die Menge an orthogonalen Codes begrenzt ist und durch die Verwürfelung verschiedene Teilnehmer auch gleiche Spreizcodes verwenden können.

In UMTS werden für die Verwürfelung so genannte Goldcodes verwendet. Die Grafik aus 3gpp Group: UMTS Release 6 – Technical Specification 25.213 V6.4.0., Sept. 2005 zeigt das Blockschaltbild zur schaltungstechnischen Erzeugung solcher Codes. Dabei werden zunächst zwei unterschiedliche Pseudonoise–Folgen gleicher Länge (hier: N = 18) mit Hilfe von Schieberegistern parallel erzeugt und dann mit Exklusiv–Oder–Gatter bitweise addiert.

Generator für Goldcodes

Im Uplink hat jede Mobilstation einen eigenen Verwürfelungscode und die Trennung der einzelnen Kanäle erfolgt über den jeweils gleichen Code. Dagegen hat im Downlink jedes Versorgungsgebiet eines Node B einen gemeinsamen Verwürfelungscode.

Spreiz– und Verwürfelungscodes

Die Tabelle fasst einige Daten der Spreiz– und Verwürfelungscodes zusammen.

Modulation und Pulsformung bei UMTS


Bei UMTS kommen im FDD–Modus folgende Modulationsverfahren zum Einsatz:

  • Im Downlink findet Quaternary Phase Shift Keying (QPSK) Anwendung. Dabei werden Nutzdaten (DPDCH–Kanal) und Kontrolldaten (DPCCH–Kanal) zeitlich gemultiplext.
  • Im Uplink wird eine zweifache binäre PSK (englisch: Dual–Channel BPSK) verwendet. Diese besitzt zwar den gleichen Signalraum wie QPSK, aber die I– und Q–Komponenten übertragen hier die Informationen unterschiedlicher Kanäle.

Die Grafik zeigt das I/Q–Multiplexing–Verfahren, wie Dual–Channel BPSK auch genannt wird, im äquivalenten Tiefpassbereich.

Modulation und Pulsformung bei UMTS

Hierzu ist anzumerken:

  • Die gespreizten Nutzdaten des DPDCH–Kanals werden auf die Inphase–Komponente (Realteil) und die Kontrolldaten des DPCCH–Kanals – ebenfalls mit einem Spreizcode beaufschlagt – auf die Quadratur–Komponente (Imaginärteil) moduliert und übertragen.
  • Danach wird die Quadratur–Komponente mit der Wurzel des Leistungsverhältnisses G zwischen I und Q gewichtet, um deren Leistungsunterschiede auszugleichen. Anschließend wird das Summensignal (I + j · Q) mit einem komplexen Verwürfelungscode multipliziert.

Weitere Informationen zur Pulsformung gibt es im Buch Beispiele von Nachrichtensystemen. Dort finden Sie auch eine Grafik mit dem Nyquistfrequenzgang H(f). Es handelt sich um einen Cosinus–Rolloff–Tiefpass (englisch Raised Cosine) mit folgender Dimensionierung:

  • Die UMTS–Chiprate beträgt RC = 3.84 Mbit/s. Um Impulsinterferenzen zu vermeiden, muss die Flankenmitte bei fN = RC/2 = 1.92 MHz liegen. Dann gilt H(f = ±fN) = 0.5.
  • Für UMTS wurde der Rolloff–Faktor r = 0.22 festgelegt. Somit ergeben sich die beiden Eckfrequenzen zu f1 = 0.78 · fN ≈ 1.498 MHz und f2 = 1.22 · fN ≈ 2.342 MHz.
  • Die erforderliche absolute Frequenzbandbreite beträgt somit B = 2f2 ≈ 4.684 MHz, so dass für jeden UMTS–Kanal mit 5 MHz ausreichend Bandbreite zur Verfügung steht.

UMTS–Erweiterungen HSDPA und HSUPA


Um dem ständig steigenden Bedarf an höheren Datenraten im Mobilfunk gerecht zu werden, wurde der UMTS–Standard stetig weiterentwickelt. Die wichtigsten Änderungen ergaben sich innerhalb der dritten Generation durch die Einführung von

  • HSDPA: High Speed Downlink Packet Access (Release 5, 2002, Markteinführung 2006)
  • HSUPA: High Speed Uplink Packet Access (Release 6, 2005, Markteinführung 2007).

Zusammen ergeben HSDPA und HSDUPA den HSPA–Standard.

Hauptmotivation dieser Weiterentwicklungen war die Steigerung von Datenrate/ Durchsatz sowie die Minimierung der Antwortzeiten bei paketvermittelter Übertragung. Für die Abwärtsstrecke sind heute (2011) mit HSDPA Datenraten bis 7 Mbit/s durchaus machbar. Angegeben werden aber auch (eher theoretische) Best–Case–Raten von bis zu 28.8 Mbit/s (bei 64–QAM und MIMO). Erreicht werden diese Steigerungen durch

Die wesentliche Verbesserung durch HSUPA ist neben der Verwendung von HARQ und Node–B–Scheduling durch die Einführung des zusätzlichen Aufwärtskanals E–DCH (Enhanced Dedicated Channel) zurückzuführen. Dieser minimiert unter anderem den Einfluss von Anwendungen mit stark unterschiedlichen und teilweise sehr intensivem Datenaufkommen (englisch: Bursty Traffic). Allerdings wird bei HSUPA im Gegensatz zu UMTS–R99 in Aufwärtsrichtung keine feste Bandbreite garantiert.

Diese flexible und effiziente Bandbreitenzuteilung in Abhängigkiet der Kanalbedingungen erlaubt eine wesentliche Steigerung der Zellenkapazität. In der Praxis werden heute (2011) auch bei Berücksichtigung vieler Nutzer Übertragungsraten bis zu 3 Mbit/s erreicht. Auch hier liegen die von Entwicklern für beste Bedingungen angegebenen Werte deutlich darüber.