Kanalmodelle und Entscheiderstrukturen

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AWGN–Kanal bei binärem Eingang


Wir betrachten das bekannte zeitdiskrete  AWGN–Kanalmodell  gemäß der unteren linken Grafik:

  • Das binäre und zeitdiskrete Nachrichtensignal  $x$  nimmt mit gleicher Wahrscheinlichkeit die Werte  $0$  und  $1$  an:
$${\rm Pr}(x = 0) ={\rm Pr}(x = 1) = 1/2.$$
  • Wir transformieren nun die unipolare Variable  $x \in \{0,\ 1 \}$  in die für die Signalübertragung besser geeignete bipolare Variable  $\tilde{x} \in \{+1, -1 \}$.  Dann gilt:
Modell und Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion (WDF) des AWGN–Kanals
$${\rm Pr}(\tilde{x} =+1) ={\rm Pr}(\tilde{x} =-1) = 1/2.$$
  • Die Übertragung wird durch  additives weißes gaußverteiltes Rauschen  (AWGN)  $n$  mit der (normierten) Rauschleistung  $\sigma^2 = N_0/E_{\rm B}$  beeinträchtigt. Die Streuung der Gauß–WDF ist  $\sigma$.
  • Aufgrund der Gaußschen WDF kann das Ausgangssignal  $y = \tilde{x} +n$  alle reellen Werte im Bereich von  $-\infty$  bis  $+\infty$  annehmen. Der Signalwert  $y$  ist demzufolge zwar wie  $x$   $($bzw. $\tilde{x})$  zeitdiskret, im Gegensatz zu diesem aber wertkontinuierlich.


Die rechte Grafik zeigt  (in blau bzw. rot)  die zwei bedingten Wahrscheinlichkeitsdichtefunktionen:

\[f_{y \hspace{0.03cm}| \hspace{0.03cm}x=0 } \hspace{0.05cm} (y \hspace{0.05cm}| \hspace{0.05cm}x=0 )\hspace{-0.1cm} = \hspace{-0.1cm} \frac {1}{\sqrt{2\pi} \cdot \sigma } \cdot {\rm e}^{ - (y-1)^2/(2\sigma^2) }\hspace{0.05cm},\]
\[f_{y \hspace{0.03cm}| \hspace{0.03cm}x=1 } \hspace{0.05cm} (y \hspace{0.05cm}| \hspace{0.05cm}x=1 )\hspace{-0.1cm} = \hspace{-0.1cm} \frac {1}{\sqrt{2\pi} \cdot \sigma } \cdot {\rm e}^{ - (y+1)^2/(2\sigma^2) }\hspace{0.05cm}.\]

Nicht dargestellt ist die gesamte  (unbedingte)  WDF,  für die bei gleichwahrscheinlichen Symbolen gilt:

\[f_y(y) = {1}/{2} \cdot \left [ f_{y \hspace{0.03cm}| \hspace{0.03cm}x=0 } \hspace{0.05cm} (y \hspace{0.05cm}| \hspace{0.05cm}x=0 ) + f_{y \hspace{0.03cm}| \hspace{0.03cm}x=1 } \hspace{0.05cm} (y \hspace{0.05cm}| \hspace{0.05cm}x=1 )\right ]\hspace{0.05cm}.\]

Die beiden schraffierten Flächeninhalte  $($jeweils  $\varepsilon)$  markieren Entscheidungsfehler unter der Voraussetzung 

  • $x=0$   ⇒   $\tilde{x} = +1$  (blau)   bzw.  
  • $x=1$   ⇒   $\tilde{x} = -1$  (rot), 


wenn harte Entscheidungen getroffen werden:

\[z = \left\{ \begin{array}{c} 0\\ 1 \end{array} \right.\quad \begin{array}{*{1}c} {\rm falls} \hspace{0.15cm} y > 0\hspace{0.05cm},\\ {\rm falls} \hspace{0.15cm}y < 0\hspace{0.05cm}.\\ \end{array}\]

Bei gleichwahrscheinlichen Eingangssymbolen ist dann die mittlere Bitfehlerwahrscheinlichkeit  ${\rm Pr}(z \ne x)$  ebenfalls gleich  $\varepsilon$.  Mit dem  komplementären Gaußschen Fehlerintergral  ${\rm Q}(x)$ gilt dabei:

\[\varepsilon = {\rm Q}(1/\sigma) = {\rm Q}(\sqrt{\rho}) = \frac {1}{\sqrt{2\pi} } \cdot \int_{\sqrt{\rho}}^{\infty}{\rm e}^{- \alpha^2/2} \hspace{0.1cm}{\rm d}\alpha \hspace{0.05cm}.\]

Hierbei bezeichnet  $\rho = 1/\sigma^2 = 2 \cdot E_{\rm S}/N_0$  das Signal–zu–Rauschverhältnis  $\rm (SNR)$  vor dem Entscheider,  wobei folgende Systemgrößen verwendet werden:

  • $E_{\rm S}$  ist die Signalenergie pro Symbol  (ohne Codierung gleich  $E_{\rm B}$,  also gleich der Signalenergie pro Bit),
  • $N_0$  bezeichnet die konstante  (einseitige)  Rauschleistungsdichte des AWGN–Kanals.

Hinweis:  Der dargelegte Sachverhalt wird mit dem SWV–Applet  "Symbolfehlerwahrscheinlichkeit von Digitalsystemen"  verdeutlicht.

Binary Symmetric Channel – BSC


Das AWGN–Kanalmodell ist kein digitales Kanalmodell,  wie wir es im Abscnitt  "Blockschaltbild und Voraussetzungen"  zur Einführung der Kanalcodierverfahren vorausgesetzt haben.  Berücksichtigen wir aber eine harte Entscheidung,  so kommen wir zum digitalen Modell  "Binary Symmetric Channel"  $\rm (BSC)$:

BSC–Modell und Zusammenhang mit dem AWGN–Modell
Hinweis:  Beim AWGN–Modell haben wir die binäre Ausgangsgröße mit  $z \in \{0, \hspace{0.05cm}1\}$  bezeichnet.  Bei den digitalen Kanalmodellen  (BSC, BEC, BSEC)  bezeichnen wir nun den wertdiskreten Ausgang wieder mit  $y$.  Um Verwechslungen zu vermeiden, nennen wir im Folgenden das Ausgangssignal des AWGN–Modells  $y_{\rm A}$,  und für das analoge Empfangssignal gilt dann  $y_{\rm A} = \tilde{x} +n$.
  • Wir wählen die beiden Verfälschungswahrscheinlichkeiten  ${\rm Pr}(y = 1\hspace{0.05cm}|\hspace{0.05cm} x=0)$  bzw.  ${\rm Pr}(y = 0\hspace{0.05cm}|\hspace{0.05cm} x=1)$  jeweils zu
\[\varepsilon = {\rm Q}(\sqrt{\rho})\hspace{0.05cm}.\]
  • Die Entscheidungsgrenze liegt bei  $G = 0$,  wodurch auch die Eigenschaft „symmetrisch” begründet ist.


Das BSC–Modell liefert eine statistisch unabhängige Fehlerfolge und eignet sich somit zur Modellierung gedächtnisloser rückkopplungsfreier Kanäle,  die in diesem Buch ausnahmslos betrachtet werden.

Zur Beschreibung gedächtnisbehafteter Kanäle müssen andere Modelle herangezogen werden,  die im fünften Hauptkapitel des Buches „Digitalsignalübertragung” behandelt werden,  zum Beispiel die Bündelfehlerkanäle entsprechend

Statistisch unabhängige Fehler (links) und Bündelfehler (rechts)

$\text{Beispiel 1:}$  Die Abbildung zeigt

  • das Originalbild in der Mitte,
  • statistisch unabhängige Fehler nach dem BSC–Modell  (links),
  • so genannte Bündelfehler gemäß Gilbert–Elliott  (rechts).


Die Bitfehlerrate beträgt in beiden Fällen  $10\%$.

Aus der rechten Grafik ist anhand der Bündelfehlerstruktur zu erkennen,  dass das Bild zeilenweise übertragen wurde.


Binary Erasure Channel – BEC


Das BSC–Modell liefert nur die Aussagen „richtig” und „falsch”.  Manche Empfänger – so zum Beispiel die so genannten  "Soft–in Soft–out Decoder"  – können jedoch auch gewisse Informationen über die Sicherheit der Entscheidung liefern,  wobei sie natürlich darüber informiert werden müssen,  welche ihrer Eingangswerte sicher sind und welche eher unsicher.

Der  "Binary Erasure Channel"  $\rm (BEC)$  liefert eine solche Information.  Anhand der Grafik erkennt man:

BEC und Zusammenhang mit dem AWGN–Modell
  • Das Eingangsalphabet des BEC–Modells ist binär   ⇒   $x ∈ \{0, \hspace{0.05cm}1\}$ und das Ausgangsalphabet ternär   ⇒   $y ∈ \{0, \hspace{0.05cm}1, \hspace{0.05cm}\rm E\}$.
  • Ein  "$\rm E$"  kennzeichnet eine unsichere Entscheidung.  Dieses neue „Symbol” steht für  "Erasure",  zu deutsch:  Auslöschung.
  • Bitfehler werden durch das BEC–Modell per se ausgeschlossen.  Eine unsichere Entscheidung  $\rm (E)$  wird mit Wahrscheinlichkeit  $\lambda$  getroffen,  während die Wahrscheinlichkeit für eine richtige  (und gleichzeitig sichere)  Entscheidung  $1-\lambda$  beträgt.
  • Rechts oben ist der Zusammenhang zwischen BEC– und AWGN–Modell dargestellt, wobei das Erasure–Entscheidungsgebiet  $\rm (E)$  grau hinterlegt ist.
  • Im Gegensatz zum BSC gibt es nun zwei Entscheidungsgrenzen,  nämlich  $G_0 = G$  und symmetrisch dazu  $G_1 = -G$.  Es gilt:
\[\lambda = {\rm Q}\big[\sqrt{\rho} \cdot (1 - G)\big]\hspace{0.05cm}.\]

Wir weisen hier nochmals auf die folgenden Applets hin:


Binary Symmetric Error & Erasure Channel – BSEC


Das BEC–Modell  $($Kennzeichen:  Fehlerwahrscheinlichkeit $0)$  ist eher unrealistisch und nur eine Näherung für ein extrem großes Signal–zu–Rausch–Leistungsverhältnis  $\rho$.  Stärkere Störungen  $($das heißt,  ein kleineres  $\rho)$  sollten besser durch den  "Binary Symmetric Error & Erasure Channel"  $\rm (BSEC)$  mit den zwei Parametern

  • Verfälschungswahrscheinlichkeit   $\varepsilon = {\rm Pr}(y = 1\hspace{0.05cm}|\hspace{0.05cm} x=0)= {\rm Pr}(y = 0\hspace{0.05cm}|\hspace{0.05cm} x=1)$,
  • Erasure–Wahrscheinlichkeit   $\lambda = {\rm Pr}(y = {\rm E}\hspace{0.05cm}|\hspace{0.05cm} x=0)= {\rm Pr}(y = {\rm E}\hspace{0.05cm}|\hspace{0.05cm} x=1)$


modelliert werden.  Wie beim BEC–Modell gilt auch hier  $x ∈ \{0, \hspace{0.05cm}1\}$  und  $y ∈ \{0, \hspace{0.05cm}1, \hspace{0.05cm}\rm E\}$.

$\text{Beispiel 2:}$  Wir betrachten das BSEC–Modell mit den beiden Entscheidungsgeraden  (symmetrisch um den Nullpunkt)

Binary Symmetric Error & Erasure Channel (BSEC) & Zusammenhang mit dem AWGN–Modell
  • $G_0 = G = 0.5$, 
  • $G_1 = -G = -0.5$.


Dessen Modellparameter  $\varepsilon$  und  $\lambda$  werden durch das  $\rm SNR$  $\rho=1/\sigma^2$  des vergleichbaren AWGN–Kanals festgelegt.

  • Für die rechts skizzierte WDF gilt  $\sigma = 0.5$   ⇒   $\rho = 4$:
$$\varepsilon = {\rm Q}\big[\sqrt{\rho} \cdot (1 + G)\big] = {\rm Q}(3) \approx 0.14\%\hspace{0.05cm},$$
$${\it \lambda} = {\rm Q}\big[\sqrt{\rho} \cdot (1 - G)\big] - \varepsilon = {\rm Q}(1) - {\rm Q}(3) $$
$$\Rightarrow \hspace{0.3cm}{\it \lambda} \approx 15.87\% - 0.14\% = 15.73\%\hspace{0.05cm},$$
  • Für  $\sigma = 0.25$   ⇒   $\rho = 16$  ergeben sich folgende Parameter:
$$\varepsilon = {\rm Q}(6) \approx 10^{-10}\hspace{0.05cm},$$
$${\it \lambda} = {\rm Q}(2) \approx 2.27\%\hspace{0.05cm}.$$
Hier könnte das BSEC–Modell durch die einfachere BEC–Variante ersetzt werden,  ohne dass es zu gravierenden Unterschieden kommt.


Maximum-a-posteriori– und Maximum-Likelihood–Kriterium


Wir gehen nun von dem nachfolgend skizzierten Modell aus und wenden die bereits im Kapitel  "Struktur des optimalen Empfängers"  des Buches „Digitalsignalübertragung” genannten Entscheidungskriterien auf den Decodiervorgang an.

Modell zur Beschreibung von MAP– und ML–Decodierung

$\text{Aufgabe des Kanaldecoders}$  ist es,  den Vektor  $\underline{v}$  so zu bestimmen,  dass dieser „möglichst gut” mit dem Informationswort  $\underline{u}$  übereinstimmt.

Etwas genauer formuliert:

  • Minimierung der  Blockfehlerwahrscheinlichkeit  ${\rm Pr(Blockfehler)} = {\rm Pr}(\underline{v} \ne \underline{u}) $  bezogen auf die Vektoren  $\underline{u}$  und  $\underline{v}$,  jeweils der Länge  $k$. 
  • Wegen der gleichen Zuordnung  $\underline{x} = {\rm enc}(\underline{u})$  des Kanalcoders und  $\underline{v} = {\rm enc}^{-1}(\underline{z})$  des Kanaldecoders gilt in gleicher Weise:
\[{\rm Pr(Blockfehler)} = {\rm Pr}(\underline{z} \ne \underline{x})\hspace{0.05cm}. \]


Der Kanaldecoder in obigem Modell besteht aus zwei Teilen:

  • Der  "Codewortschätzer"  ermittelt aus dem Empfangsvektor  $\underline{y}$  einen Schätzwert  $\underline{z} \in \mathcal{C}$  gemäß einem vorgegebenen Kriterium.
  • Aus dem (empfangenen) Codewort  $\underline{z}$  wird das Informationswort  $\underline{v}$  durch  "einfaches Mapping"  ermittelt.  Dieses sollte mit  $\underline{u}$  übereinstimmen.

Für den Codewortschätzer gibt es insgesamt vier unterschiedliche Varianten, nämlich

  1. den Maximum–a–posteriori–Empfänger (MAP–Empfänger) für das gesamte Codewort  $\underline{x}$,
  2. den Maximum–a–posteriori–Empfänger für die einzelnen Codebits  $x_i$,
  3. den Maximum–Likelihood–Empfänger  (ML–Empfänger)  für das gesamte Codewort  $\underline{x}$,
  4. den Maximum–Likelihood–Empfänger für die einzelnen Codebits  $x_i$.

Deren Definitionen folgen auf der nächsten Seite.  Vorab aber gleich das wesentliche Unterscheidungsmerkmal zwischen  $\rm MAP$  und  $\rm ML$:

$\text{Fazit:}$ 

  • Ein  MAP–Empfänger  berücksichtigt auch unterschiedliche Auftrittswahrscheinlichkeiten für das gesamte Codewort bzw. für deren einzelne Bits.
  • Sind alle Codeworte  $\underline{x}$  und damit auch alle Bits  $x_i$  der Codeworte gleichwahrscheinlich,  so ist der einfachere  ML–Empfänger  äquivalent zum MAP–Empfänger.



Definitionen der verschiedenen Optimalempfänger


$\text{Definition:}$  Der  "Maximum–a–posteriori–Empfänger auf Blockebene"  – kurz:  block–wise MAP – entscheidet sich unter den  $2^k$  Codeworten  $\underline{x}_i \in \mathcal{C}$  für das Codewort mit der größten Rückschlusswahrscheinlichkeit  $($englisch:   "a–posteriori probability",  $\rm APP)$:

\[\underline{z} = {\rm arg} \max_{\underline{x}_{\hspace{0.03cm}i} \hspace{0.03cm} \in \hspace{0.05cm} \mathcal{C} } \hspace{0.1cm} {\rm Pr}( \underline{x}_{\hspace{0.03cm}i} \vert\hspace{0.05cm} \underline{y} ) \hspace{0.05cm}.\]
  • ${\rm Pr}( \underline{x}_{\hspace{0.03cm}i} \hspace{0.05cm}\vert \hspace{0.05cm} \underline{y} )$  ist die  bedingte Wahrscheinlichkeit, dass  $\underline{x}_i$  gesendet wurde,  wenn  $\underline{y}$  empfangen wird.


Wir versuchen nun,  diese Entscheidungsregel schrittweise zu vereinfachen.  Die  Rückschlusswahrscheinlichkeit  kann nach dem „Satz von Bayes” umgeformt werden:

\[{\rm Pr}( \underline{x}_{\hspace{0.03cm}i} \hspace{0.05cm}\vert \hspace{0.05cm} \underline{y} ) = \frac{{\rm Pr}( \underline{y} \hspace{0.08cm} |\hspace{0.05cm} \underline{x}_{\hspace{0.03cm}i} ) \cdot {\rm Pr}( \underline{x}_{\hspace{0.03cm}i} )}{{\rm Pr}( \underline{y} )} \hspace{0.05cm}.\]
  • Die Wahrscheinlichkeit  ${\rm Pr}( \underline{y}) $  ist unabhängig von  $\underline{x}_i$  und muss bei der Maximierung nicht berücksichtigt werden.
  • Sind zudem alle  $2^k$  Informationsworte  $\underline{u}_i$  gleichwahrscheinlich,  so kann man bei der Maximierung auch auf den Beitrag  ${\rm Pr}( \underline{x}_{\hspace{0.03cm}i} ) = 2^{-k}$  im Zähler verzichten.


$\text{Definition:}$  Der  "Maximum–Likelihood–Empfänger auf Blockebene"  – kurz:  block–wise ML  – entscheidet sich unter den  $2^k$  zulässigen Codeworten  $\underline{x}_i \in \mathcal{C}$  für das Codewort mit der größten  Übergangswahrscheinlichkeit:

\[\underline{z} = {\rm arg} \max_{\underline{x}_{\hspace{0.03cm}i} \hspace{0.05cm} \in \hspace{0.05cm} \mathcal{C} } \hspace{0.1cm} {\rm Pr}( \underline{y} \hspace{0.05cm}\vert\hspace{0.05cm} \underline{x}_{\hspace{0.03cm}i} ) \hspace{0.05cm}.\]
  • Die bedingte Wahrscheinlichkeit  ${\rm Pr}( \underline{y} \hspace{0.05cm}\vert\hspace{0.05cm} \underline{x}_{\hspace{0.03cm}i} )$  ist nun in Vorwärtsrichtung zu verstehen,  nämlich als die Wahrscheinlichkeit,  dass der Vektor  $\underline{y}$  empfangen wird,  wenn das Codewort  $\underline{x}_i$  gesendet wurde.
  • Im Folgenden verwenden wir auf Blockebene stets den Maximum–Likelihood–Empfänger.  Aufgrund der vorausgesetzten gleichwahrscheinlichen Informationsworte liefert auch dieser stets die bestmögliche Entscheidung.


Anders sieht es jedoch auf Bitebene aus.  Ziel einer iterativen Decodierung ist es gerade,  für alle Codebits  $x_i \in \{0, 1\}$  Wahrscheinlichkeiten zu schätzen und diese an die nächste Stufe weiterzugeben.  Hierzu benötigt man einen MAP–Empfänger.

$\text{Definition:}$  Der  "Maximum–a–posteriori–Empfänger auf Bitebene"  – kurz:  bit–wise MAP – wählt für jedes einzelne Codebit  $x_i$  den Wert  $(0$ oder $1)$  mit der größten Rückschlusswahrscheinlichkeit  ${\rm Pr}( {x}_{\hspace{0.03cm}i}\vert \hspace{0.05cm} \underline{y} )$  aus:

\[\underline{z} = {\rm arg}\hspace{-0.1cm}{ \max_{ {x}_{\hspace{0.03cm}i} \hspace{0.03cm} \in \hspace{0.05cm} \{0, 1\} } \hspace{0.03cm} {\rm Pr}( {x}_{\hspace{0.03cm}i}\vert \hspace{0.05cm} \underline{y} ) \hspace{0.05cm} }.\]


Maximum-Likelihood–Entscheidung beim BSC–Kanal


Wir wenden nun das Maximum–Likelihood–Kriterium auf den gedächtnislosen  BSC–Kanal  an.  Dann gilt:

\[{\rm Pr}( \underline{y} \hspace{0.05cm}|\hspace{0.05cm} \underline{x}_{\hspace{0.03cm}i} ) = \prod\limits_{l=1}^{n} {\rm Pr}( y_l \hspace{0.05cm}|\hspace{0.05cm} x_l ) \hspace{0.4cm}{\rm mit}\hspace{0.4cm} {\rm Pr}( y_l \hspace{0.05cm}|\hspace{0.05cm} x_l ) = \left\{ \begin{array}{c} 1 - \varepsilon\\ \varepsilon \end{array} \right.\quad \begin{array}{*{1}c} {\rm falls} \hspace{0.15cm} y_l = x_l \hspace{0.05cm},\\ {\rm falls} \hspace{0.15cm}y_l \ne x_l\hspace{0.05cm}.\\ \end{array} \hspace{0.05cm}.\]
\[\Rightarrow \hspace{0.3cm} {\rm Pr}( \underline{y} \hspace{0.05cm}|\hspace{0.05cm} \underline{x}_{\hspace{0.03cm}i} ) = \varepsilon^{d_{\rm H}(\underline{y} \hspace{0.05cm}, \hspace{0.1cm}\underline{x}_{\hspace{0.03cm}i})} \cdot (1-\varepsilon)^{n-d_{\rm H}(\underline{y} \hspace{0.05cm}, \hspace{0.1cm}\underline{x}_{\hspace{0.03cm}i})} \hspace{0.05cm}.\]

$\text{Beweis:}$  Dieses Ergebnis lässt sich wie folgt begründen:

  • Die  Hamming–Distanz  $d_{\rm H}(\underline{y} \hspace{0.05cm}, \hspace{0.1cm}\underline{x}_{\hspace{0.03cm}i})$  gibt die Anzahl der Bitpositionen an,  in denen sich die Worte  $\underline{y}$  und  $\underline{x}_{\hspace{0.03cm}i}$  mit jeweils  $n$  binären Elementen unterscheiden. Beispiel:   Die Hamming–Distanz zwischen  $\underline{y}= (0, 1, 0, 1, 0, 1, 1)$   und   $\underline{x}_{\hspace{0.03cm}i} = (0, 1, 0, 0, 1, 1, 1)$  ist  $2$.
  • In  $n - d_{\rm H}(\underline{y} \hspace{0.05cm}, \hspace{0.1cm}\underline{x}_{\hspace{0.03cm}i})$  Positionen unterscheiden sich demnach die beiden Vektoren  $\underline{y}$  und  $\underline{x}_{\hspace{0.03cm}i}$  nicht.  Im obigen Beispiel sind fünf der  $n = 7$  Bit identisch.
  • Zu obiger Gleichung kommt man schließlich durch Einsetzen der Verfälschungswahrscheinlichkeit  $\varepsilon$  bzw. deren Ergänzung  $1-\varepsilon$.


Die Vorgehensweise bei der Maximum–Likelihood–Detektion ist,  dasjenige Codewort  $\underline{x}_{\hspace{0.03cm}i}$  zu finden,  das die Übergangswahrscheinlichkeit  ${\rm Pr}( \underline{y} \hspace{0.05cm}|\hspace{0.05cm} \underline{x}_{\hspace{0.03cm}i} )$  maximiert:

\[\underline{z} = {\rm arg} \max_{\underline{x}_{\hspace{0.03cm}i} \hspace{0.05cm} \in \hspace{0.05cm} \mathcal{C}} \hspace{0.1cm} \left [ \varepsilon^{d_{\rm H}(\underline{y} \hspace{0.05cm}, \hspace{0.1cm}\underline{x}_{\hspace{0.03cm}i})} \cdot (1-\varepsilon)^{n-d_{\rm H}(\underline{y} \hspace{0.05cm}, \hspace{0.1cm}\underline{x}_{\hspace{0.03cm}i})} \right ] \hspace{0.05cm}.\]

Da der Logarithmus eine monoton steigende Funktion ist, erhält man das gleiche Ergebnis nach folgender Maximierung:

\[\underline{z} = {\rm arg} \max_{\underline{x}_{\hspace{0.03cm}i} \hspace{0.05cm} \in \hspace{0.05cm} \mathcal{C}} \hspace{0.1cm} L(\underline{x}_{\hspace{0.03cm}i})\hspace{0.5cm} {\rm mit}\hspace{0.5cm} L(\underline{x}_{\hspace{0.03cm}i}) = \ln \left [ \varepsilon^{d_{\rm H}(\underline{y} \hspace{0.05cm}, \hspace{0.1cm}\underline{x}_{\hspace{0.03cm}i})} \cdot (1-\varepsilon)^{n-d_{\rm H}(\underline{y} \hspace{0.05cm}, \hspace{0.1cm}\underline{x}_{\hspace{0.03cm}i})} \right ] \]
\[ \Rightarrow \hspace{0.3cm} L(\underline{x}_{\hspace{0.03cm}i}) = d_{\rm H}(\underline{y} \hspace{0.05cm}, \hspace{0.1cm}\underline{x}_{\hspace{0.03cm}i}) \cdot \ln \hspace{0.05cm} \varepsilon + \big [n -d_{\rm H}(\underline{y} \hspace{0.05cm}, \hspace{0.1cm}\underline{x}_{\hspace{0.03cm}i})\big ] \cdot \ln \hspace{0.05cm} (1- \varepsilon) = \ln \frac{\varepsilon}{1-\varepsilon} \cdot d_{\rm H}(\underline{y} \hspace{0.05cm}, \hspace{0.1cm}\underline{x}_{\hspace{0.03cm}i}) + n \cdot \ln \hspace{0.05cm} (1- \varepsilon) \hspace{0.05cm}.\]

Hierbei ist zu berücksichtigen:

  • Der zweite Term dieser Gleichung ist unabhängig von  $\underline{x}_{\hspace{0.03cm}i}$  und muss für die Maximierung nicht weiter betrachtet werden.
  • Auch der Faktor vor der Hamming–Distanz ist für alle  $\underline{x}_{\hspace{0.03cm}i}$  gleich.
  • Da  $\ln \, {\varepsilon}/(1-\varepsilon)$  negativ ist (zumindest für  $\varepsilon <0.5$, was ohne große Einschränkung vorausgestzt werden kann),  wird aus der Maximierung eine Minimierung,  und man erhält folgendes Endergebnis:


$\text{Maximum–Likelihood-Entscheidung beim BSC-Kanal:}$ 

Wähle von den  $2^k$  zulässigen Codeworten  $\underline{x}_{\hspace{0.03cm}i}$  dasjenige mit der  geringsten Hamming–Distanz  $d_{\rm H}(\underline{y} \hspace{0.05cm}, \hspace{0.1cm}\underline{x}_{\hspace{0.03cm}i})$  zum Empfangsvektor  $\underline{y}$  aus:

\[\underline{z} = {\rm arg} \min_{\underline{x}_{\hspace{0.03cm}i} \hspace{0.05cm} \in \hspace{0.05cm} \mathcal{C} } \hspace{0.1cm} d_{\rm H}(\underline{y} \hspace{0.05cm}, \hspace{0.1cm}\underline{x}_{\hspace{0.03cm}i})\hspace{0.05cm}, \hspace{0.2cm} \underline{y} \in {\rm GF}(2^n) \hspace{0.05cm}, \hspace{0.2cm}\underline{x}_{\hspace{0.03cm}i}\in {\rm GF}(2^n) \hspace{0.05cm}.\]


Anwendungen der ML/BSC–Entscheidung finden Sie auf den folgenden Seiten:

Maximum-Likelihood–Entscheidung beim AWGN–Kanal


Das AWGN–Modell für einen  $(n, k)$–Blockcode unterscheidet sich vom  Modell  auf der ersten Kapitelseite dadurch,  dass für  $x$,  $\tilde{x}$  und  $y$  nun die entsprechenden Vektoren  $\underline{x}$,  $\underline{\tilde{x}}$  und  $\underline{y}$  verwendet werden müssen,  jeweils bestehend aus  $n$  Elementen.

Die Schritte zur Herleitung des Maximum–Likelihood–Entscheiders bei AWGN werden nachfolgend nur stichpunktartig angegeben:

  • Der AWGN–Kanal ist per se gedächtnislos  (hierfür steht das „White” im Namen).  Für die bedingte Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion kann somit geschrieben werden:
\[f( \underline{y} \hspace{0.05cm}|\hspace{0.05cm} \underline{\tilde{x}} ) = \prod\limits_{l=1}^{n} f( y_l \hspace{0.05cm}|\hspace{0.05cm} \tilde{x}_l ) \hspace{0.05cm}.\]
  • Die bedingte WDF ist für jedes einzelne Codeelement  $(l = 1, \hspace{0.05cm}\text{...} \hspace{0.05cm}, n)$  "gaußisch".  Damit genügt auch die gesamte WDF einer  (eindimensionalen)  Gaußverteilung:
\[f({y_l \hspace{0.03cm}| \hspace{0.03cm}\tilde{x}_l }) = \frac {1}{\sqrt{2\pi} \cdot \sigma } \cdot \exp \left [ - \frac {(y_l - \tilde{x}_l)^2}{2\sigma^2} \right ]\hspace{0.3cm} \Rightarrow \hspace{0.3cm} f( \underline{y} \hspace{0.05cm}|\hspace{0.05cm} \underline{\tilde{x}} ) = \frac {1}{(2\pi)^{n/2} \cdot \sigma^n } \cdot \exp \left [ - \frac {1}{2\sigma^2} \cdot \sum_{l=1}^{n} \hspace{0.2cm}(y_l - \tilde{x}_l)^2 \right ] \hspace{0.05cm}.\]
  • Da  $\underline{y}$  nun nicht mehr wie beim BSC–Modell wertdiskret ist,  sondern wertkontinuierlich,  müssen jetzt nach der ML–Entscheidungsregel  Wahrscheinlichkeitsdichten  untersucht werden und nicht mehr Wahrscheinlichkeiten.  Das optimale Ergebnis lautet:
\[\underline{z} = {\rm arg} \max_{\underline{x}_{\hspace{0.03cm}i} \hspace{0.05cm} \in \hspace{0.05cm} \mathcal{C}} \hspace{0.1cm} f( \underline{y} \hspace{0.05cm}|\hspace{0.05cm} \underline{\tilde{x}}_i )\hspace{0.05cm}, \hspace{0.5cm} \underline{y} \in R^n\hspace{0.05cm}, \hspace{0.2cm}\underline{x}_{\hspace{0.03cm}i}\in {\rm GF}(2^n) \hspace{0.05cm}.\]
  • In der Algebra bezeichnet man den Abstand zweier Punkte  $\underline{y}$  und  $\underline{\tilde{x}}$  im  $n$–dimensionalen Raum als die  Euklidische Distanz,  benannt nach dem griechischen Mathematiker  Euklid,  der im dritten Jahrhundert vor Christus lebte:
\[d_{\rm E}(\underline{y} \hspace{0.05cm}, \hspace{0.1cm}\underline{\tilde{x}}) = \sqrt{\sum_{l=1}^{n} \hspace{0.2cm}(y_l - \tilde{x}_l)^2}\hspace{0.05cm},\hspace{0.8cm} \underline{y} \in R^n\hspace{0.05cm}, \hspace{0.2cm}\underline{x}_{\hspace{0.03cm}i}\in \mathcal{C} \hspace{0.05cm}.\]
  • Damit lautet die ML–Entscheidungsregel beim AWGN–Kanal für einen jeden Blockcode unter Berücksichtigung der Tatsache,  dass der erste Faktor der WDF  $f( \underline{y} \hspace{0.05cm}|\hspace{0.05cm} \underline{\tilde{x}_i} )$  konstant ist:
\[\underline{z} = {\rm arg} \max_{\underline{x}_{\hspace{0.03cm}i} \hspace{0.05cm} \in \hspace{0.05cm} \mathcal{C}} \hspace{0.1cm} \exp \left [ - \frac {d_{\rm E}(\underline{y} \hspace{0.05cm}, \hspace{0.1cm}\underline{\tilde{x}}_i)}{2\sigma^2} \right ]\hspace{0.05cm}, \hspace{0.8cm} \underline{y} \in R^n\hspace{0.05cm}, \hspace{0.2cm}\underline{x}_{\hspace{0.03cm}i}\in {\rm GF}(2^n) \hspace{0.05cm}.\]

Nach einigen weiteren Zwischenschritten kommt man zum Ergebnis:

$\text{Maximum–Likelihood-Entscheidung beim AWGN-Kanal:}$ 

Wähle von den  $2^k$  zulässigen Codeworten  $\underline{x}_{\hspace{0.03cm}i}$  dasjenige mit der  kleinsten Euklidischen Distanz  $d_{\rm E}(\underline{y} \hspace{0.05cm}, \hspace{0.1cm}\underline{x}_{\hspace{0.03cm}i})$  zum Empfangsvektor  $\underline{y}$  aus:

\[\underline{z} = {\rm arg} \min_{\underline{x}_{\hspace{0.03cm}i} \hspace{0.05cm} \in \hspace{0.05cm} \mathcal{C} } \hspace{0.1cm} d_{\rm E}(\underline{y} \hspace{0.05cm}, \hspace{0.1cm}\underline{x}_{\hspace{0.03cm}i})\hspace{0.05cm}, \hspace{0.8cm} \underline{y} \in R^n\hspace{0.05cm}, \hspace{0.2cm}\underline{x}_{\hspace{0.03cm}i}\in {\rm GF}(2^n) \hspace{0.05cm}.\]

Aufgaben zum Kapitel


Aufgabe 1.3: Kanalmodelle BSC–BEC–BSEC–AWGN

Aufgabe 1.4: Maximum–Likelihood–Entscheidung