Kanalcodierung/Grundlegendes zu den Produktcodes: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 14. Dezember 2017, 16:20 Uhr

Grundstruktur eines Produktcodes


Die Grafik zeigt den prinzipiellen Aufbau von Produktcodes, die bereits 1954 von Peter Elias eingeführt wurden.

Grundstruktur eines Produktcodes





Der hier dargestellte zweidimensionale Produktcode $\mathcal{C} = \mathcal{C}_1 × \mathcal{C}_2$ basiert auf den beiden linearen und binären Blockcodes mit den Parametern $(n_1, \ k_1)$ bzw. $(n_2, \ k_2)$. Die Codewortlänge ist $n = n_1 \cdot n_2$.
Diese $n$ Codebits lassen sich wie folgt gruppieren:

  • Die $k = k_1 \cdot k_2$ Informationsbits sind in der $k_2 × k_1$–Matrix $\mathbf{U}$ angeordnet. Die Coderate ist gleich dem Produkt der Coderaten der beiden Basiscodes:
$$R = k/n = (k_1/n_1) \cdot (k_2/n_2) = R_1 \cdot R_2.$$
  • Die rechte obere Matrix $\mathbf{P}^{(1)}$ mit der Dimension $k_2 × m_1$ beinhaltet die Prüfbits (englisch: Parity) hinsichtlich des Codes $\mathcal{C}_1$. In jeder der $k_2$ Zeilen werden zu den $k_1$ Informationsbits $m_1 = n_1 \, –k_1$ Prüfbits hinzugefügt, wie in einem Kapitel am Beispiel der Hamming–Codes beschrieben wurde.
  • Die linke untere Matrix $\mathbf{P}^{(2)}$ der Dimension $m_2 × k_1$ beinhaltet die Prüfbits für den zweiten Komponentencodes $\mathcal{C}_2$. Hier erfolgt die Codierung (und auch die Decodierung) zeilenweise: In jeder der $k_1$ Spalten werden die $k_2$ Informationsbits noch um $m_2 = n_2 \, –k_2$ Prüfbits ergänzt.
  • Die $m_2 × m_1$–Matrix $\mathbf{P}^{(12)}$ rechts unten bezeichnet man als Checks–on–Checks. Hier werden die vorher erzeugten Parity–Matrizen $\mathbf{P}^{(1)}$ und $\mathbf{P}^{(2)}$ entsprechend den Prüfgleichungen verknüpft.

$\text{Fazit:}$  Alle Produktcodes entsprechend obiger Grafik weisen folgende Eigenschaften auf:

  • Bei linearen Komponentencodes $\mathcal{C}_1$ und $\mathcal{C}_2$ ist auch der Produktcode $\mathcal{C} = \mathcal{C}_1 × \mathcal{C}_2$ linear.
  • Jede Zeile von $\mathcal{C}$ gibt ein Codewort von $\mathcal{C}_1$ wieder und jede Spalte ein Codewort von $\mathcal{C}_2$.
  • Die Summe zweier Zeilen ergibt aufgrund der Linearität wieder ein Codewort von $\mathcal{C}_1$.
  • Ebenso ergibt die Summe zweier Spalten ein gültiges Codewort von $\mathcal{C}_2$.
  • Jeder Produktcodes beinhaltet auch das Nullwort $\underline{0}$ (ein Vektor mit $n$ Nullen).
  • Die minimale Distanz von $C$ ist $d_{\rm min} = d_1 \cdot d_2$, wobei $d_i$ die minimale Distanz von $\mathcal{C}_i$ angibt.

Iterative Syndromdecodierung von Produktcodes


Wir betrachten nun den Fall, dass ein Produktcode mit Matrix $\mathbf{X}$ über einen Binärkanal übertragen wird. Die Empfangsmatrix sei $\mathbf{Y} = \mathbf{X} + \mathbf{E}$, wobei $\mathbf{E}$ die Fehlermatrix bezeichnet. Alle Elemente der Matrizen $\mathbf{X}, \ \mathbf{E}$ und $\mathbf{Y}$ seien binär, also $0$ oder $1$.

Für die Decodierung der beiden Komponentencodes bietet sich die Syndromdecodierung entsprechend dem Kapitel Decodierung linearer Blockcodes an. Im zweidimensionalen Fall bedeutet dies:

  • Man decodiert zunächst die $n_2$ Zeilen der Empfangsmatrix $\mathbf{Y}$, basierend auf der Prüfmatrix $\mathbf{H}_1$ des Komponentencodes $\mathcal{C}_1$. Eine Möglichkeit ist die Syndromdecodierung.
  • Dazu bildet man jeweils das sogenannte Syndrom $\underline{s} = \underline{y} \cdot \mathbf{H}_1^{\rm T}$, wobei der Vektor $\underline{y}$ der Länge $n_1$ die aktuelle Zeile von $\mathbf{Y}$ angibt und „T” für „transponiert” steht.
  • Entsprechend dem berechneten $\underline{s}_{\mu}$ (mit $0 ≤ \mu < 2^{n_1 \, –k_1}$) findet man dann in einer vorbereiteten Syndromtabelle das zugehörige wahrscheinliche Fehlermuster $\underline{e} = \underline{e}_{\mu}$ .
  • Bei nur wenigen Fehlern innerhalb der Zeile stimmt dann $\underline{y} + \underline{e}$ mit dem gesendeten Zeilenvektor $\underline{x}$ überein. Sind zu viele Fehler aufgetreten, so kommt es allerdings zu Fehlkorrekturen.
  • Anschließend syndromdecodiert man die $n_1$ Spalten der (korrigierten) Empfangsmatrix $\mathbf{Y}'$, diesmal basierend auf der (transponierten) Prüfmatrix $\mathbf{H}_2^{\rm T}$ des Komponentencodes $\mathcal{C}_2$.
  • Hierzu bildet man das Syndrom $\underline{s} = \underline{y}' \cdot \mathbf{H}_2^{\rm T}$, wobei der Vektor $\underline{y}'$ der Länge $n_2$ die betrachtete Spalte von $\mathbf{Y}'$ bezeichnet.
  • Aus einer zweiten Syndromtabelle (gültig für den Code $\mathcal{C}_2$) findet man für das berechnete $\underline{s}_{\mu}$ (mit $0 ≤ \mu < 2^{n_2 \, –k_2}$) das wahrscheinliche Fehlermuster $\underline{e} = \underline{e}_{\mu}$ der bearbeiteten Spalte.
  • Nach Korrektur aller Spalten liegt die Marix $\mathbf{Y}$ vor. Nun kann man wieder eine Zeilen– und anschließend eine Spaltendecodierung vornehmen  ⇒  zweite Iteration, und so weiter, und so fort.

$\text{Beispiel 1:}$  Zur Verdeutlichung des Decodieralgorithmuses betrachten wir wieder den $(42, 12)$ Produktcode, basierend auf

  • dem Hammingcode $(7, 4, 3)$   ⇒   Code $\mathcal{C}_1$,
  • dem verkürzten Hammingcode $(6, 3, 3)$  ⇒  Code $\mathcal{C}_2$.


Die linke Grafik zeigt die Empfangsmatrix $\mathbf{Y}$, Aus Darstellungsgründen wurde die Codermatrix $\mathbf{X}$ zu einer $6 × 7$–Nullmatrix gewählt, so dass die neun Einsen in $\mathbf{Y}$ gleichzeitig Übertragungsfehler darstellen.

Zur Syndromdecodierung des $(42, 12)$–Produktcodes


Die zeilenweise Syndromdecodierung geschieht über das Syndrom $\underline{s} = \underline{y} \cdot \mathbf{H}_1^{\rm T}$ $$\text{mit} \hspace{0.5cm} \boldsymbol{\rm H}_1^{\rm T} = \begin{pmatrix} 1 &0 &1 \\ 1 &1 &0 \\ 0 &1 &1 \\ 1 &1 &1 \\ 1 &0 &0 \\ 0 &1 &0 \\ 0 &0 &1 \end{pmatrix} \hspace{0.05cm}. $$


Im Einzelnen:

  • Zeile 1  ⇒  Einzelfehlerkorrektur ist erfolgreich (ebenso in den Zeilen 3, 4 und 6):
Syndromtabelle für den Code $\mathcal{C}_1$
\[\underline{s} = \left ( 0, \hspace{0.02cm} 0, \hspace{0.02cm}1, \hspace{0.02cm}0, \hspace{0.02cm}0, \hspace{0.02cm}0, \hspace{0.02cm}0 \right ) \hspace{-0.03cm}\cdot \hspace{-0.03cm}{ \boldsymbol{\rm H} }_1^{\rm T} \hspace{-0.05cm}= \left ( 0, \hspace{0.03cm} 1, \hspace{0.03cm}1 \right ) = \underline{s}_3\]
\[\Rightarrow \hspace{0.3cm} \underline{y} + \underline{e}_3 = \left ( 0, \hspace{0.02cm} 0, \hspace{0.02cm}0, \hspace{0.02cm}0, \hspace{0.02cm}0, \hspace{0.02cm}0, \hspace{0.02cm}0 \right ) \hspace{0.05cm}.\]
  • Zeile 2  ⇒  Fehlkorrektur bezüglich Bit 5:
\[\underline{s} = \left ( 1, \hspace{0.02cm} 0, \hspace{0.02cm}0, \hspace{0.02cm}0, \hspace{0.02cm}0, \hspace{0.02cm}0, \hspace{0.02cm}1 \right ) \hspace{-0.03cm}\cdot \hspace{-0.03cm}{ \boldsymbol{\rm H} }_1^{\rm T} \hspace{-0.05cm}= \left ( 1, \hspace{0.03cm} 0, \hspace{0.03cm}0 \right ) = \underline{s}_4\]
\[\Rightarrow \hspace{0.3cm} \underline{y} + \underline{e}_4 = \left ( 1, \hspace{0.02cm} 0, \hspace{0.02cm}0, \hspace{0.02cm}0, \hspace{0.02cm}1, \hspace{0.02cm}0, \hspace{0.02cm}1 \right ) \hspace{0.05cm}.\]
  • Zeile 5  ⇒  Fehlkorrektur bezüglich Bit 3:
\[\underline{s} = \left ( 0, \hspace{0.02cm} 0, \hspace{0.02cm}0, \hspace{0.02cm}1, \hspace{0.02cm}1, \hspace{0.02cm}0, \hspace{0.02cm}0 \right ) \hspace{-0.03cm}\cdot \hspace{-0.03cm}{ \boldsymbol{\rm H} }_1^{\rm T} \hspace{-0.05cm}= \left ( 0, \hspace{0.03cm} 1, \hspace{0.03cm}1 \right ) = \underline{s}_3\]
\[\Rightarrow \hspace{0.3cm} \underline{y} + \underline{e}_3 = \left ( 0, \hspace{0.02cm} 0, \hspace{0.02cm}1, \hspace{0.02cm}1, \hspace{0.02cm}1, \hspace{0.02cm}0, \hspace{0.02cm}0 \right ) \hspace{0.05cm}.\]

Die spaltenweisen Syndromdecodierung entfernt alle Einzelfehler in den Spalten 1, 2, 3, 4, 6 und 7.

Syndromtabelle für den Code $\mathcal{C}_2$
  • Spalte 5  ⇒  Fehlkorrektur bezüglich Bit 4:
\[\underline{s} = \left ( 0, \hspace{0.02cm} 1, \hspace{0.02cm}0, \hspace{0.02cm}0, \hspace{0.02cm}1, \hspace{0.02cm}0 \right ) \hspace{-0.03cm}\cdot \hspace{-0.03cm}{ \boldsymbol{\rm H} }_2^{\rm T} \hspace{-0.05cm}= \left ( 0, \hspace{0.02cm} 1, \hspace{0.02cm}0, \hspace{0.02cm}0, \hspace{0.02cm}1, \hspace{0.02cm}0 \right ) \hspace{-0.03cm}\cdot \hspace{-0.03cm} \begin{pmatrix} 1 &1 &0 \\ 1 &0 &1 \\ 0 &1 &1 \\ 1 &0 &0 \\ 0 &1 &0 \\ 0 &0 &1 \end{pmatrix} = \left ( 1, \hspace{0.03cm} 0, \hspace{0.03cm}0 \right ) = \underline{s}_4\]
\[\Rightarrow \hspace{0.3cm} \underline{y} + \underline{e}_4 = \left ( 0, \hspace{0.02cm} 1, \hspace{0.02cm}0, \hspace{0.02cm}1, \hspace{0.02cm}1, \hspace{0.02cm}0 \right ) \hspace{0.05cm}.\]

Die verbliebenen drei Fehler werden durch zeilenweise Decodierung der zweiten Iterationsschleife korrigiert.

Ob alle Fehler eines Blockes korrigierbar sind, hängt vom Fehlermuster ab.
Hier verweisen wir auf die Aufgabe 4.7.


Leistungsfähigkeit der Produktcodes


Die 1954 eingeführten Produktcodes waren die ersten Codes, die auf rekursiven Konstruktionsregeln basierten und somit grundsätzlich für die iterative Decodierung geeignet waren. Der Erfinder Peter Elias hat sich diesbezüglich zwar nicht geäußert, aber in den letzten zwanzig Jahren hat dieser Aspekt und die gleichzeitige Verfügbarkeit schneller Prozessoren dazu beigetragen, dass inzwischen auch Produktcodes in realen Kommunikationssystemen eingesetzt werden, zum Beispiel

  • beim Fehlerschutz von Speichermedien, und
  • bei Glasfasersystemen mit sehr hoher Datenrate.


Meist verwendet man sehr lange Produktcodes (großes $n = n_1 \cdot n_2$) mit folgender Konsequenz:

  • Anwendbar ist dagegen auch bei großem $n$ die iterative symbolweise MAP–Decodierung. Der Austausch von extrinsischer und Apriori–Information geschieht hier zwischen den beiden Komponentencodes. Genaueres hierüber findet man in [Liv15][1].

Die Grafik zeigt für einen $(1024, 676)$–Produktcode, basierend auf dem Extended Hammingcode ${\rm eHC} \ (32, 26)$ als Komponentencodes,

  • links die AWGN–Bitfehlerwahrscheinlichkeit in Abhängigkeit der Iterationen $(I)$
  • rechts die Fehlerwahrscheinlichkeit der Blöcke (bzw. Codeworte).
Bit– und Blockfehlerwahrscheinlichkeit eines $(1024, 676)$–Produktcodes bei AWGN

Hier noch einige ergänzende Bemerkungen:

  • Die Coderate beträgt $R = R_1 \cdot R_2 = 0.66$, womit sich die Shannon–Grenze zu $10 \cdot {\rm lg} \, (E_{\rm B}/N_0) \approx 1 \ \rm dB$ ergibt.
  • In der linken Grafik erkennt man den Einfluss der Iterationen. Beim Übergang von $I = 1$ auf $I=2$ gewinnt man ca. $2 \ \rm dB$ (bei der Bitfehlerrate $10^{–5}$) und mit $I = 10$ ein weiteres $\rm dB$. Weitere Iterationen lohnen sich nicht.
\[{\rm Pr(Truncated\hspace{0.15cm}Union\hspace{0.15cm} Bound)}= W_{d_{\rm min}} \cdot {\rm Q} \left ( \sqrt{d_{\rm min} \cdot {2R \cdot E_{\rm B}}/{N_0}} \right ) \hspace{0.05cm}.\]
  • Die minimale Distanz beträgt $d_{\rm min} = d_1 \cdot d_2 = 4 \cdot 4 = 16$. Mit der Gewichtsfunktion des ${\rm eHC} \ (32, 26)$,
\[W_{\rm eHC(32,\hspace{0.08cm}26)}(X) = 1 + 1240 \cdot X^{4} + 27776 \cdot X^{6}+ 330460 \cdot X^{8} + ...\hspace{0.05cm} + X^{32},\]
erhält man für den Produktcode $W_{d, \ \rm min} = 1240^2 = 15\hspace{0.05cm}376\hspace{0.05cm}000$. Damit ist die obere Gleichung bestimmt, deren numerische Auswertung der rechten Grafik zugrundeliegt.

Aufgaben zum Kapitel


Aufgaben:A4.6: Produktcode–Generierung|A4.6: Produktcode–Generierung

Zusatzaufgaben:Z4.6: Grundlagen der Produktcodes

Aufgaben:A4.7: Produktcode–Decodierung|A4.7: Produktcode–Decodierung

Zusatzaufgaben:Z4.7: Syndromdecodierung – Prinzip

Quellenverzeichnis

  1. Liva, G.: Channels Codes for Iterative Decoding. Vorlesungsmanuskript, Lehrstuhl für Nachrichtentechnik, TU München und DLR Oberpfaffenhofen, 2015.