Systemkomponenten eines Basisbandübertragungssystems

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# ÜBERBLICK ZUM ERSTEN HAUPTKAPITEL #


Das erste Hauptkapitel führt in das weite Gebiet der Digitalsignalübertragung ein,  wobei einige vereinfachende Annahmen getroffen werden:  ein redundanzfreies binäres Sendesignal,  keine Impulsinterferenzen.  Obwohl die Beschreibung vorwiegend im Basisband erfolgt,  lassen sich die Ergebnisse meist auch auf die digitalen Trägerfrequenzsysteme übertragen.

Im Einzelnen werden behandelt:

  • der  »prinzipielle Aufbau und die Komponenten«  eines Basisbandübertragungssystems,
  • die Definitionen von  »Bitfehlerwahrscheinlichkeit«  und  »Bitfehlerhäufigkeit«,
  • die Eigenschaften der  »Nyquistsysteme«,  die eine impulsinterferenzfreie Übertragung erlauben,
  • die  »Optimierung der binären Basisbandsysteme«  bei Leistungs- und Spitzenwertbegrenzung,
  • die  »Verallgemeinerung der Ergebnisse auf Trägerfrequenzsysteme«,   und
  • die weitgehend gemeinsame Beschreibung von  »ASK, BPSK und 4–QAM«.


Weitere Informationen zum Thema sowie Aufgaben, Simulationen und Programmierübungen finden Sie im

  • Kapitel 13:   Fehlerwahrscheinlichkeit, Programm "fwk",
  • Kapitel 14:   Digitale Basisbandübertragung, Programm "bas",
  • Kapitel 15:   Codierte und mehrstufige Übertragung, Programm "cod",
  • Kapitel 16:   Nyquistsysteme, Programm "nyq".


des Praktikums „Simulationsmethoden in der Nachrichtentechnik”.  Diese (ehemalige) LNT-Lehrveranstaltung an der TU München basiert auf

  • dem Lehrsoftwarepaket  LNTsim  ⇒  Link verweist auf die ZIP-Version des Programms und
  • dieser  Praktikumsanleitung  ⇒  Link verweist auf die PDF-Version; Kapitel 13 – 16:   Seite 295-432.


Vereinfachtes Systemmodell


Im gesamten ersten Kapitel wird für das Digitalsystem entsprechend der Beschreibung in  [ST85][1] von folgendem  »Blockschaltbild»  ausgegangen:

Vereinfachtes Systemmodell eines digitalen Übertragungssystems

Das Blockschaltbild ist in genau gleicher Weise aufgebaut wie ein  analoges Übertragungssystem  entsprechend der Beschreibung im Buch „Modulationsverfahren”,  bestehend aus

  1. Quelle   ⇒   Kennzeichnung:  "Q",
  2. Sender   ⇒   Kennzeichnung:  "S",
  3. Kanal   ⇒   Kennzeichnung:  "K",
  4. Störung/Rauschen   ⇒   Kennzeichnung:  "N",
  5. Empfänger   ⇒   Kennzeichnung:  "E",
  6. Sinke   ⇒   Kennzeichnung:  "V".


Die entsprechenden Signale sind an diese Kennzeichnungen angepasst, verwenden aber Kleinbuchstaben,  zum Beispiel Quellensignal  $q(t)$, ... ,  Sinkensignal  $v(t)$.

Im Vergleich zum analogen Übertragungssystem erkennt man in diesem vereinfachten Systemmodell folgende Gemeinsamkeiten und Unterschiede:

  • Auch beim digitalen Übertragungssystem ist das Empfangssignal  $r(t)$  aufgrund der Störungen zeit– und wertkontinuierlich.  Das Sendesignal  $s(t)$  kann zeit– und wertdiskret sein,  muss aber nicht.
  • Im Unterschied zum Buch  „Modulationsverfahren”  sind aber nun das Quellensignal  $q(t)$  und das Sinkensignal  $v(t)$  stets Digitalsignale.  Sie sind dementsprechend sowohl zeit– als auch wertdiskret.
  • Alle Informationen über  $q(t)$  und  $v(t)$  können somit auch durch die  "Quellensymbolfolge"   $〈q_ν〉$  und die  "Sinkensymbolfolge"  $〈v_ν〉$  gemeinsam mit der Symboldauer  $T$  ausgedrückt werden.
  • Ein Digitalempfänger unterscheidet sich grundsätzlich vom Empfänger eines Analogsystems,  da er zusätzlich eine  Entscheidungskomponente  zur Gewinnung des digitalen Sinkensignals  $v(t)$  aus dem analogen Empfangssignals  $r(t)$  beinhalten muss.
  • In den ersten drei Kapiteln dieses Buches betrachten wir die  digitale Basisbandübertragung,  was besagt,  dass das Nachrichtensignal  $q(t)$  ohne vorherige Frequenzumsetzung  (Modulation mit einer Trägerschwingung)  übertragen wird.
  • Deshalb sind hier  $s(t)$  und  $r(t)$  jeweils Tiefpass–Signale und auch für den Kanal (inklusive der Störungen) muss stets von einer Tiefpass–Charakteristik ausgegangen werden.


Nachfolgend werden die Eigenschaften der einzelnen Systemkomponenten detailliert beschrieben,  wobei die idealisierenden Voraussetzungen für dieses Kapitel geeignet berücksichtigt werden.

Beschreibungsgrößen der digitalen Quelle


Die  digitale Quelle  erzeugt die Quellensymbolfolge  $〈q_ν〉$,  die möglichst fehlerfrei zur Sinke übertragen werden soll.  Im Allgemeinen entstammt jedes Symbol der zeitlichen Folge  $〈q_ν〉$  mit  $\nu = 1, 2,$ ...  einem Symbolvorrat  $\{q_\mu\}$  mit  $\mu = 1$, ... , $M$,  wobei  $M$  als  "Quellensymbolumfang"  oder auch als  "Stufenzahl"  bezeichnet wird.

Für das vorliegende erste Hauptkapitel dieses Buches wird von folgenden Voraussetzungen ausgegangen:

  • Die Quelle sei  "binär"  $(\hspace{-0.05cm}M= 2)$  und die beiden möglichen Symbole sind  $\rm L$ („Low”) und  $\rm H$ („High”).  Diese etwas ungewöhnliche Nomenklatur haben wir gewählt,  um sowohl unipolare als auch bipolare Signalisierung in gleicher Weise beschreiben zu können.  Beachten Sie bitte den Hinweis vor  $\text{Beispiel 1}$.
  • Die Quellensymbole sind  "statistisch unabhängig"  voneinander,  das heißt,  die Wahrscheinlichkeit  ${\rm Pr}(q_\nu = q_\mu)$,  dass das  $\nu$–te Symbol der Folge  $〈q_ν〉$  gleich dem  $\mu$–ten Symbol des Symbolvorrates  $\{q_\mu\}$  ist,  hängt nicht von  $\nu$  ab.
  • Aufgrund dieser beiden Annahmen wird die digitale Quelle durch die  "Symbolwahrscheinlichkeiten"  $p_{\rm L} = {\rm Pr}(q_\nu = {\rm L}) $  und  $p_{\rm H} = {\rm Pr}(q_\nu = {\rm H}) = 1- p_{\rm L}$  vollständig beschrieben.
  • Gilt weiterhin  $p_{\rm L} =p_{\rm H}= 0.5$,  so ist die Quelle  "redundanzfrei".  Meist – jedoch nicht immer – wird im vorliegenden ersten Kapitel eine solche redundanzfreie Binärquelle vorausgesetzt.
  • Der zeitliche Abstand zweier Symbole sei  $T$.  Man bezeichnet diese Größe als die  "Symboldauer"  und den Kehrwert als die  "Symbolrate"  $R = 1/T$.  Bei Binärquellen  $(\hspace{-0.05cm}M= 2)$  nennt man diese Größen auch  "Bitdauer"  bzw. "Bitrate".
  • Bei systemtheoretischer Betrachtungsweise der digitalen Basisbandübertragung beschreibt man das Quellensignal am besten durch eine Folge gewichteter und verschobener Diracimpulse:
\[q(t) = \sum_{(\nu)} a_\nu \cdot {\rm \delta} ( t - \nu \cdot T)\hspace{0.05cm}. \]
  • Hierbei bezeichnet man  $a_\nu$  als die  Amplitudenkoeffizienten.  Im Falle der  "binären unipolaren"  Digitalsignalübertragung gilt:
\[a_\nu = \left\{ \begin{array}{c} 1 \\ 0 \\ \end{array} \right.\quad \begin{array}{*{1}c} {\rm{f\ddot{u}r}} \\ {\rm{f\ddot{u}r}} \\ \end{array}\begin{array}{*{20}c} q_\nu = \mathbf{H} \hspace{0.05cm}, \\ q_\nu = \mathbf{L} \hspace{0.05cm}. \\ \end{array}\]
  • Entsprechend gilt bei einem  "binären bipolaren"  System:
\[a_\nu = \left\{ \begin{array}{c} +1 \\ -1 \\ \end{array} \right.\quad \begin{array}{*{1}c} {\rm{f\ddot{u}r}} \\ {\rm{f\ddot{u}r}} \\ \end{array}\begin{array}{*{20}c} q_\nu = \mathbf{H} \hspace{0.05cm}, \\ q_\nu = \mathbf{L} \hspace{0.05cm}. \\ \end{array}\]
Die nachfolgende Beschreibung erfolgt meist für diesen zweiten Fall.

$\text{Hinweis zur Nomenklatur:}$ 

  • In der Literatur wird oft unser Symbol  $\rm H$  mit $\mathbf{0}$  bezeichnet.
  • Bei unipolarer Signalisierung wird dann das Symbol  $\mathbf{0}$  durch den Amplitudenkoeffizienten  $a_\nu =1$  und das Symbol  $\rm L$  durch den Zahlenwert  $a_\nu =0$  dargestellt.
  • Um diesen unschönen Sachverhalt zu vermeiden,  wird in unserem  "LNTwww"  das Symbol  $\mathbf{1}$  mit  $\rm H$  bezeichnet, wobei „High” den Sachverhalt richtig ausdrückt.


$\text{Beispiel 1:}$  Die Grafik zeigt vier binäre diracförmige Quellensignale im Bereich von  $-4 \ \rm µ s$  bis  $+4 \ \rm µ s$,  wobei jeweils die Quellensymbolfolge

Zur Beschreibung digitaler Quellensignale
$$\langle q_\nu \rangle = \langle \text{...}\hspace{0.05cm}, \mathbf{L}, \mathbf{H}, \mathbf{H}, \mathbf{L},\hspace{0.15cm}\mathbf{H}, \hspace{0.15cm} \mathbf{L},\mathbf{L}, \mathbf{H},\mathbf{L},\hspace{0.05cm} \text{...} \rangle \hspace{0.05cm} $$

zugrundeliegt.  Das mittlere Symbol  (in der Gleichung durch größeren Zeichenabstand markiert)  bezieht sich jeweils auf den Zeitpunkt  $t = 0$.

  • Die zwei oberen Signale eignen sich zur Beschreibung unipolarer Systeme,  die unteren für die bipolare Digitalsignalübertragung.
  • Für die jeweils linken Grafiken ist  $T = 1\ \rm µ s$  vorausgesetzt.  Für die beiden rechten gilt dagegen  $T = 2\ \rm µ s$  und damit die halbe Symbolrate.

Kenngrößen des digitalen Senders


Der  Sender  eines digitalen Übertragungssystems hat die Aufgabe,  aus dem  (diracförmigen)  Quellensignal ein geeignetes Sendesignal  $s(t)$  zu erzeugen,  das die Nachricht der Quelle vollständig beinhaltet und an die Eigenschaften von Übertragungskanal,  der Störungen sowie aller technischen Empfangseinrichtungen angepasst ist.  Außerdem sorgt der Sender für die Bereitstellung einer hinreichend großen Sendeleistung.

Als Beschreibungsgröße für den Sender verwenden wir den  "Sendegrundimpuls"  $g_s(t)$.  Aufgrund der Definition des Quellensignals  $q(t)$  als Summe von gewichteten und verschobenen Diracfunktionen lässt sich das Sendesignal mit den Amplitudenkoeffizienten  $a_\nu$  in folgender Weise darstellen:

\[s(t) = q(t) \star g_s(t) = \sum_{(\nu)} a_\nu \cdot g_s ( t - \nu \cdot T)\hspace{0.05cm}.\]

Häufig wird der Sendegrundimpuls  $g_s(t)$  als rechteckförmig angenommen mit

  • der Impulshöhe  $s_0 = g_s(t = 0)$  und
  • der  (absoluten)  Impulsdauer  $T_{\rm S}$.


$\text{Definition:}$  Gilt  $T_{\rm S} < T$, so spricht man von einem  RZ–Impuls  („return–to–zero”),  bei  $T_{\rm S} = T$  von einem  NRZ–Impuls  („non–return–to–zero”).


Bei anderem Sendegrundimpuls, zum Beispiel


verwendet man als Beschreibungsparameter anstelle der absoluten Impulsdauer  $T_{\rm S}$  meist die über das flächengleiche Rechteck definierte  äquivalente Impulsdauer:

$$\Delta t_{\rm S} = \frac {\int ^{+\infty} _{-\infty} \hspace{0.15cm} g_s(t)\,{\rm d}t}{{\rm Max} \hspace{0.05cm}[g_s(t)]} \le T_{\rm S} \hspace{0.05cm}.$$

Nur bei rechteckförmigem Sendegrundimpuls gilt  $\Delta t_{\rm S} = T_{\rm S}$.

Unterscheidet sich die Amplitude des Sendegrundimpulses  $g_s(t)$  vom Maximalwert  $s_0$  des Sendesignals  $s(t)$,  so bezeichnen wir die Impulsamplitude mit  $A_{\rm S}$.  Dies trifft zum Beispiel beim Gaußimpuls zu.

Das Interaktionsmodul  Impulse und Spektren  zeigt einige geläufige Grundimpulse und die dazugehörigen Spektren.

$\text{Beispiel 2:}$  Der folgenden Grafik liegt stets die Quellensymbolfolge $\langle q_\nu \rangle = \langle \text{...}\hspace{0.05cm}, \mathbf{L}, \mathbf{H}, \mathbf{H}, \mathbf{L},\hspace{0.15cm}\mathbf{H}, \hspace{0.15cm}\mathbf{L},\mathbf{L}, \mathbf{H},\mathbf{L},\hspace{0.05cm} \text{...} \rangle $ zugrunde.  Diese zeigt drei Sendesignale,

Binäre Sendesignale mit unterschiedlicher Impulsform
  • ein bipolares Sendesignal  $s_{\rm A}(t)$  mit NRZ–Rechteckimpulsen,
  • ein bipolares Sendesignal  $s_{\rm B}(t)$  mit RZ–Rechteckimpulsen, und
  • ein unipolares Sendesignal  $s_{\rm C}(t)$  mit Gaußimpulsen.


Bei den folgenden Beschreibungen wird meist das bipolare NRZ–Rechtecksignal  $s_{\rm A}(t)$  vorausgesetzt.  Die Dauer  $T_{\rm S}$  des in der Grafik rot eingezeichneten Sendegrundimpulses  $g_s(t)$  ist hier gleich dem Abstand  $T$  zweier aufeinanderfolgender Impulse.

Aus den weiteren Skizzen erkennt man:

  • Beim RZ–Sendesignal  $s_{\rm B}(t)$  unterscheidet sich die Impulsdauer  $T_{\rm S}$  vom Impulsabstand  $T$.  Die Skizze gilt für das Tastverhältnis  $T_{\rm S}/T = 0.5$.  Obwohl  $s_{\rm B}(t)$ ebenfalls ein Binärsignal ist,  gibt es hier drei mögliche Signalwerte,  nämlich  $+s_0$,  $-s_0$  und  $0$.
  • Von Vorteil ist,  dass sich auch bei einer langen  $\rm H$– oder  $\rm L$–Folge kein Gleichsignal ergibt,  wodurch die Taktsynchronisierung einfacher wird.  Nachteilig bei RZ–Signalisierung ist das breitere Spektrum sowie die niedrigere Energie pro Symbol,  was zu einer höheren Bitfehlerrate führt.
  • Das Signal  $s_{\rm C}(t)$  ist unipolar und verwendet einen gaußförmigen Grundimpuls  $g_s(t)$.  Ein solches Signal findet man zum Beispiel bei optischen Systemen mit Intensitätsmodulation,  da ein Laser oder eine LED  ("Light Emitting Diode")  prinzipiell keine negativen Impulse erzeugen kann und ein Rechteckimpuls technologisch schwieriger zu erreichen ist als die Gaußform.
  • Im Falle eines  „echten Gaußimpulses”  gilt für die absolute Impulsdauer stets  $T_{\rm S} \to \infty$.  Die (normierte) äquivalente Impulsdauer ist hier mit  $\Delta t_{\rm S} /T = 0.3$  relativ klein gewählt,  so dass der Maximalwert  $s_0$  des Sendesignals etwa gleich der Impulsamplitude  $A_{\rm S}$  ist.
  • Bei breiteren Gaußimpulsen überlappen sich diese;  die Näherung  $s_0 \approx A_{\rm S}$  trifft in diesem Fall nicht mehr zu.

Übertragungskanal und Störungen


Der  Übertragungskanal  umfasst alle Einrichtungen,  die zwischen dem Sender und dem Empfänger liegen.  Hauptbestandteil des Kanals ist das Übertragungsmedium,  das zum Beispiel

  • eine symmetrische Doppelleitung, 
  • ein Koaxialkabel, 
  • ein Lichtwellenleiter  (eine Glasfaser)  oder
  • ein Funkfeld sein kann. 


Daneben beinhaltet der Übertragungskanal verschiedene aus Betriebsgründen notwendige Einrichtungen wie Stromversorgung,  Blitzschutz und Fehlerortung.

Im allgemeinsten Fall müssen folgende physikalischen Effekte berücksichtigt werden:

  • Die Übertragungseigenschaften können zeitabhängig sein,  insbesondere bei sich bewegendem Sender und/oder Empfänger,  wie es im ersten Hauptkapitel „Zeitvariante Übertragungskanäle” des Buches  Mobile Kommunikation  im Detail beschrieben wird.  Im vorliegenden Buch „Digitalsignalübertragung” wird der Kanal stets als  linear und zeitinvariant  $\rm (LZI)$  angenommen.
  • Die Eigenschaften des LZI–Kanals können frequenzabhängig sein,  gekennzeichnet durch den Frequenzgang  $H_{\rm K}(f)$.  Bei leitungsgebundener Übertragung gilt stets  $H_{\rm K}(f) \ne \rm const.$  und es kommt zu Verzerrungen,  wie auf der Seite  Definition des Begriffs „Impulsinterferenz”  beschrieben.
  • Dem Nutzsignal überlagern sich stochastische Störungen  $n(t)$,  zum Beispiel das unvermeidbare thermische Rauschen,  Impulsstörungen und Nebensprechstörungen anderer Teilnehmer.


Für dieses erste Hauptkapitel wird stets  $H_{\rm K}(f) =1$  vorausgesetzt,  das heißt,  dass die beiden erstgenannten Punkte vorerst ausgeschlossen werden.

AWGN-Kanalmodell:
Leistungsdichtespektrum  (links),   Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion  (rechts)

Somit gilt im Folgenden für das Signal am Kanalausgang stets:

$$r(t) = s(t) + n(t).$$

Die einfachste realistische Annahme für den Übertragungskanal eines Nachrichtenübertragungssystems ist  Additive White Gaussian Noise  $\rm (AWGN)$,  wie bereits in anderen $\rm LNTwww$–Büchern ausgeführt wurde,


$\text{Das AWGN–Modell lässt sich wie folgt zusammenfassen:}$

  • Der Buchstabe  $\rm N$  weist darauf hin,  dass durch das AWGN–Modell ausschließlich Rauschen  („Noise”)  berücksichtigt wird.  Verzerrungen werden durch dieses einfache Modell nicht erfasst.
  • Obwohl Rauschstörungen im Allgemeinen durch eine Vielzahl von Rauschquellen entlang der gesamten Übertragungsstrecke hervorgerufen werden,  können diese bei linearen Systemen durch einen einzigen additiven Rauschterm am Kanalausgang berücksichtigt werden  $($Buchstabe  $\rm A)$.
  • Das Rauschen beinhaltet alle Frequenzen gleichermaßen;  es besitzt ein konstantes,  weißes  $\rm (W)$  Leistungsdichtespektrum  $\rm (LDS)$  und eine diracförmige   Autokorrelationsfunktion  $\rm (AKF)$:
$${\it \Phi}_n(f) = {N_0}/{2}\hspace{0.15cm} \bullet\!\!-\!\!\!-\!\!\!-\!\!\circ\, \hspace{0.15cm} \varphi_n(\tau) = {N_0}/{2} \cdot \delta (\tau)\hspace{0.05cm}.$$
Der Faktor  $1/2$  auf beiden Seiten dieser Fouriertransformations–Gleichung berücksichtigt die zweiseitige Spektraldarstellung.
  • Beispielsweise gilt bei thermischem Rauschen für die physikalische Rauschleistungsdichte  (das heißt:   einseitige Betrachtungsweise)  mit der Rauschzahl  $F \ge 1$  und der absoluten Temperatur  $\theta$:
\[{N_0}= F \cdot k_{\rm B} \cdot \theta , \hspace{0.3cm}k_{\rm B} = 1.38 \cdot 10^{-23} \hspace{0.2cm}{ \rm Ws}/{\rm K}\hspace{0.2cm}{\rm (Boltzmann-Konstante)}\hspace{0.05cm}.\]
  • Bei echt weißem Rauschen würde sich eine unendliche große Leistung ergeben.  Deshalb ist stets eine Bandbegrenzung auf  $B$  zu berücksichtigen,  und es gilt für die wirksame Rauschleistung:
\[N = \sigma_n^2 = {N_0} \cdot B \hspace{0.05cm}.\]
\[f_n(n) = \frac{1}{\sqrt{2\pi}\cdot\sigma_n}\cdot {\rm e}^{ - {\it n^{\rm 2} }/{(2\sigma_n^2)} }.\]

Wir möchten Sie hier gerne auf das dreiteilige Lernvideo  Der AWGN-Kanal  hinweisen,  in dem die AWGN–Eigenschaften nochmals verdeutlicht werden.


Empfangsfilter und Schwellenwertentscheider


Empfänger eines binären Basisbandübertragungssystems

Der einfachste Empfänger bei Binärübertragung über den AWGN–Kanal besteht aus

  • einem Empfangsfilter mit dem Frequenzgang  $H_{\rm E}(f)$  und
  • einem Schwellenwertentscheider zur Gewinnung des Binärsignals.


Diese Empfängerstruktur ist wie folgt zu begründen:

  • Das  "Detektionssignal"   $d(t)$  nach dem Empfangsfilter kann zumindest gedanklich wie folgt aufgeteilt werden:  
$$d(t) = d_{\rm S}(t)+d_{\rm N}(t).$$
  • Der Anteil  $d_{\rm S}(t)$  geht allein auf das Empfängereingangssignal  $r(t)=s(t)$  zurück   ⇒   $n(t)= 0$.
    Im Folgenden bezeichnen wir  $d_{\rm S}(t)$  auch als  "Detektionsnutzsignal".  Der Index  "S"  steht für "Signal":
  • Mit der Impulsantwort  $h_{\rm E}(t)$  als die Fourierrücktransformierte des Frequenzgangs  $H_{\rm E}(f)$  gilt:
$$d_{\rm S}(t) = s(t) \star h_{\rm E} (t)\hspace{0.05cm}.$$
  • Für den zweiten Anteil  $d_{\rm N}(t)$  geht man dagegen vonm Empfängereingangssignal  $r(t)=n(t)$  aus   ⇒   $s(t)= 0$.
    Diesen Anteil  $d_{\rm N}(t)$  bezeichnen wir auch als  "Detektionsstörsignal".  Für diesen gilt folgende Faltungsoperation:
$$d_{\rm N}(t) = n(t) \star h_{\rm E} (t)\hspace{0.05cm}.$$
  • Das weiße Rauschen  $n(t)$  am Empfängereingang besitzt theoretisch eine unendliche große Leistung  $($praktisch:   eine unnötig große Leistung$)$.  Durch den Tiefpass mit dem Frequenzgang  $H_{\rm E}(f)$  wird diese begrenzt auf den quadratischen Erwartungswert  (Varianz)  des Detektionsstörsignals   ⇒   "Detektionsstörleistung":
\[\sigma_d^2 = {\rm E}\big[d_{\rm N}(t)^2\big] \hspace{0.05cm}.\]
  • Es ist aber zu beachten,  dass  $H_{\rm E}(f)$  nicht nur die Störung  $n(t)$,  sondern auch das Nutzsignal  $s(t)$  verändert.  Dadurch werden die einzelnen Sendeimpulse verbreitert und in ihrer Amplitude vermindert.  Nach den Voraussetzungen für dieses Kapitel muss sichergestellt werden,  dass es nicht zu  Impulsinterferenzen  kommt.
  • Aufgabe des Entscheiders ist es,  aus dem wert– und zeitkontinuierlichen Detektionssignal  $d(t)$  das wert– und zeitdiskrete Sinkensignal  $v(t)$  zu erzeugen,  das die Nachricht des Sendesignals  $s(t)$  "möglichst gut  wiedergeben sollte.


Die Funktionsweise des (binären) Schwellenwertentscheiders wird im folgenden $\text{Beispiel 3}$ beschrieben.

$\text{Beispiel 3:}$  Die obere Grafik zeigt rot das rechteckförmige, auf  $\pm 1$  normierte Sendesignal  $s(t)$,  das von additivem Rauschen  $n(t)$  überlagert ist.  Blau dargestellt ist das Empfangssignal  $r(t) = s(t) + n(t)$.

Signale bei einem optimalen Binärsystem

Zu dieser Grafik ist weiter anzumerken:

  • Nach dem Empfangsfilter mit rechteckförmiger Impulsantwort der Dauer  $T$  ergibt sich das in der Mitte dargestellte Signal  $d(t)$.  Der Anteil  $d_{\rm S}(t)$,  der auf das Sendesignal  $s(t)$  zurückgeht,  hat in diesem Sonderfall  („Matched–Filter”)  den in der mittleren Grafik rot gepunktet dargestellten,  abschnittsweise linearen Verlauf.  Die Differenz  $d(t) - d_{\rm S}(t)$  ist der Rauschanteil  $d_{\rm N}(t)$,  der vom AWGN–Term  $n(t)$  herrührt.


  • Der anschließende Schwellenwertentscheider wertet das Detektionssignal  $d(t)$  aus.  Dazu vergleicht er dessen Abtastwerte zu den äquidistanten Detektionszeitpunkten – in der Grafik durch gelbe Pfeile markiert – mit dem Schwellenwert  $E = 0$  und setzt entsprechend das Sinkensignal  $v(t)$  im Bereich  $\nu \cdot T$ ... $(\nu + 1) \cdot T$  auf  $+1$  oder  $-1$,  je nachdem,  ob der Detektionsabtastwert  $d(t)$  größer oder kleiner ist als die Entscheiderschwelle  $E$.


  • Trifft wie im dargestellten Beispiel der Entscheider stets die richtige Entscheidung,  so ist sein Ausgangssignal  $v(t) = s(t-T/2)$.  Die Laufzeit von einer halben Symboldauer  $(T/2)$  ist  darauf zurückzuführen,  dass das Detektionssignal  $d(t)$  sinnvollerweise in Symbolmitte entschieden wird,  die Bereitstellung des Sinkensignals  $v(t)$  aber aus Kausalitätsgründen erst danach erfolgen kann.


Ersatzschaltbild und Voraussetzungen für das erste Hauptkapitel


Für die weiteren Abschnitte dieses ersten Hauptkapitels wird das folgende Ersatzschaltbild zugrunde gelegt:  Wenn nicht explizit etwas anderes angegeben ist,  gelten die nachfolgend aufgeführten Voraussetzungen:

Ersatzschaltbild zur Untersuchung binärer Basisbandübertragungssysteme








  • Die Übertragung erfolgt binär,  bipolar und redundanzfrei mit der Bitrate  $R = 1/T$.  Die codierte und/oder mehrstufige Übertragung wird im  Hauptkapitel 2  behandelt.
  • Das Sendesignal  $s(t)$  ist zu allen Zeiten  $t$  gleich  $ \pm s_0$,  das heißt:   Der Sendegrundimpuls $g_s(t)$ ist NRZ–rechteckförmig mit Amplitude  $s_0$  und Impulsdauer  $T$.  Die Spektralfunktion lautet:
$$G_s(f)= s_0 \cdot T \cdot {\rm si}(\pi f \hspace{0.05cm}T)\hspace{0.2cm} {\rm mit}\hspace{0.2cm}{\rm si}(x) = \sin(x)/x \hspace{0.05cm}.$$
  • Für das Empfangssignal gelte  $r(t) = s(t) + n(t)$.  Der AWGN–Term  $n(t)$  ist durch die konstante einseitige Rauschleistungsdichte  $N_0$  gekennzeichnet.  Der Kanalfrequenzgang ist somit stets  $H_{\rm K}(f) =1$  und muss nicht weiter berücksichtigt werden.
  • Das Empfangsfilter mit Frequenzgang  $H_{\rm E}(f)$  und Impulsantwort  $h_{\rm E}(t) = {\rm F}^{-1}\big[H_{\rm E}(f)\big]$  ist optimal an den Sendegrundimpuls  $g_s(t)$  angepasst,  so dass Impulsinterferenzen keine Rolle spielen. Impulsinterferenzbehaftete Systeme und die Entzerrungsverfahren werden im dritten Hauptkapitel  dieses Buches  behandelt.
  • Die Parameter des  (binären)  Schwellenwertentscheiders sind optimal gewählt.  Aufgrund der bipolaren Signalisierung ist die optimale Entscheiderschwelle  $E = 0$.  Wegen der symmetrischen Impulsform liegen die optimalen Detektionszeitpunkte bei  $\nu \cdot T$.


Aufgaben zum Kapitel


Aufgabe 1.1: Sendegrundimpulse

Aufgabe 1.1Z: Redundanzfreie Binärquelle

Quellenverzeichnis

  1. Söder, G.; Tröndle, K:  Digitale Übertragungssysteme - Theorie, Optimierung & Dimensionierung der Basisbandsysteme.  Berlin – Heidelberg: Springer, 1985.