Signale, Basisfunktionen und Vektorräume

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# ÜBERBLICK ZUM VIERTEN HAUPTKAPITEL #

Das Hauptkapitel 4 liefert eine abstrahierte Beschreibung der Digitalsignalübertragung, die auf Basisfunktionen und Signalraumkonstellationen aufbaut. Dadurch ist es möglich, sehr unterschiedliche Konfigurationen – zum Beispiel Bandpass–Systeme und solche für das Basisband – in einheitlicher Form zu behandeln. Der jeweils optimale Empfänger besitzt in allen Fällen die gleiche Struktur.

Im Einzelnen werden behandelt:

  • die Bedeutung von Basisfunktionen und deren Auffinden nach dem Gram–Schmidt–Verfahren,
  • die Struktur des optimalen Empfängers für die Basisbandübertragung,
  • das Theorem der Irrelevanz und dessen Bedeutung für die Herleitung optimaler Detektoren,
  • der optimale Empfänger für den AWGN–Kanal und Implementierungsaspekte,
  • die Systembeschreibung durch komplexes bzw. N–dimensionales Gaußsches Rauschen,
  • die Fehlerwahrscheinlichkeitsberechnung und –approximation bei sonst idealen Bedingungen,
  • die Anwendung der Signalraumbeschreibung auf Trägerfrequenzsysteme,
  • ie unterschiedlichen Ergebnisse für OOK, M–ASK, M–PSK, M–QAM und M–FSK,
  • die unterschiedlichen Ergebnisse für kohärente bzw. nichtkohärente Demodulation.


Nahezu alle Ergebnisse dieses Kapitels wurden bereits in früheren Abschnitten hergeleitet. Grundlegend neu ist jedoch die Herangehensweise:

  • Im LNTwww–Buch „Modulationsverfahren” sowie in den ersten drei Kapiteln dieses Buches wurden bereits bei den Herleitungen die spezifischen Systemeigenschaften berücksichtigt – zum Beispiel, ob die Übertragung des Digitalsignals im Basisband erfolgt oder ob eine digitale Amplituden–, Frequenz– oder Phasenmodulation vorliegt.
  • Hier sollen nun die Systeme dahingehend abstrahiert werden, dass sie einheitlich behandelt werden können. Der jeweils optimale Empfänger besitzt in allen Fällen die gleiche Struktur, und die Fehlerwahrscheinlichkeit lässt sich auch für nichtgaußverteiltes Rauschen angeben.

Anzumerken ist, dass sich durch diese eher globale Vorgehensweise gewisse Systemunzulänglichkeiten nur sehr ungenau erfassen lassen, wie zum Beispiel

  • der Einfluss eines nichtoptimalen Empfangsfilters auf die Fehlerwahrscheinlichkeit,
  • ein falscher Schwellenwert (Schwellendrift) oder
  • Phasenjitter (Schwankungen der Abtastzeitpunkte).

Insbesondere bei Vorhandensein von Impulsinterferenzen sollte also weiterhin entsprechend dem Hauptkapitel 3 vorgegangen werden.

Die Beschreibung basiert auf dem Skript [KöZ08][1] von Ralf Kötter und Georg Zeitler, das sich stark an das Lehrbuch [WJ65][2] anlehnt. Gerhard Kramer, Lehrstuhlinhaber des LNT seit 2010, behandelt in seiner Vorlesung [Kra10][3] die gleiche Thematik mit sehr ähnlicher Nomenklatur.

Um unseren eigenen Studenten an der TU München das Lesen nicht unnötig zu erschweren, halten wir uns weitestgehend an diese Nomenklatur, auch wenn diese von anderen LNTwww–Kapiteln abweicht.

Zur Nomenklatur im vierten Kapitel


Gegenüber den anderen Kapiteln in „LNTwww„ ergeben sich hier folgende Nomenklaturunterschiede:

  • Die zu übertragende Nachricht ist ein ganzzahliger Wert $m \in \{m_i\}$ mit $i = 0$, ... , $M-1$, wobei $M$ den Symbolumfang angibt. Wenn es die Beschreibung vereinfacht, wird $i = 1$, ... , $M$  induziert.


  • Das Ergebnis des Entscheidungsprozesses beim Empfänger ist ebenfalls ein Integerwert mit dem gleichen Symbolalphabet wie beim Sender. Man bezeichnet dieses Ergebnis auch als den Schätzwert:
$$\hat{m} \in \{m_i \}, \hspace{0.2cm} i = 0, 1, \text{...}\hspace{0.05cm} , M-1\hspace{0.2cm} ({\rm bzw.}\,\,i = 1, 2, \text{...}\hspace{0.05cm}, M) \hspace{0.05cm}.$$


$${\rm Pr} ({\cal E}) = {\rm Pr} ( \hat{m} \ne m) = 1 - {\rm Pr} ({\cal C}), \hspace{0.4cm}\text{Komplementärereignis:}\hspace{0.2cm} {\rm Pr} ({\cal C}) = {\rm Pr} ( \hat{m} = m) \hspace{0.05cm}.$$
  • Bei einer Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion (WDF) wird nun entsprechend $p_r(\rho)$ zwischen der Zufallsgröße   ⇒   $r$ und der Realisierung   ⇒   $\rho$ unterschieden. Bisher wurde für eine WDF die Bezeichnung $f_r(r)$ verwendet.


  • Mit der Schreibweise $p_r(\rho)$ geben $r$ und $\rho$ Skalare an. Sind dagegen Zufallsgröße und Realisierung Vektoren (geeigneter Länge), so wird dies durch Fettschrift ausgedrückt:     $p_{ \boldsymbol{ r}}(\boldsymbol{\rho})$ mit den Vektoren $ \boldsymbol{ r}$ und $\boldsymbol{\rho}$.


  • Um Verwechslungen mit Energiewerten zu vermeiden, heißt nun der Schwellenwert $G$ anstelle von $E$ und wird in diesem Kapitel vorwiegend als Entscheidungsgrenze bezeichnet.


  • Ausgehend von den beiden reellen und energiebegrenzten Zeitfunktionen $x(t)$ und $y(t)$ erhält man für das innere Produkt:
$$<\hspace{-0.1cm}x(t), \hspace{0.05cm}y(t) \hspace{-0.1cm}> \hspace{0.15cm}= \int_{-\infty}^{+\infty}x(t) \cdot y(t)\,d \it t \hspace{0.05cm}.$$
  • Daraus ergibt sich die Euklidische Norm oder „2–Norm” (oder kurz „Norm”):
$$||x(t) || = \sqrt{<\hspace{-0.1cm}x(t), \hspace{0.05cm}x(t) \hspace{-0.1cm}>} \hspace{0.05cm}.$$


Gegenüber dem Skript [KöZ08][1] unterscheidet sich die Bezeichnungsweise hier wie folgt:

  • Die Wahrscheinlichkeit des Ereignisses $E$ ist hier ${\rm Pr}(E)$ anstelle von $P(E)$. Diese Nomenklaturänderung wurde auch deshalb vorgenommen, da Wahrscheinlichkeiten und Leistungen in manchen Gleichungen gemeinsam vorkommen.
  • Bandpass–Signale werden weiterhin mit Index „BP” gekennzeichnet und nicht wie in [KöZ08] mit einer Tilde. Das entsprechende Tiefpass–Signal ist (meist) mit dem Index „TP” versehen.

Orthonormale Basisfunktionen


Wir gehen in diesem Kapitel von einer Menge $\{s_i(t)\}$ möglicher Sendesignale aus, die den möglichen Nachrichten $m_i$ eineindeutig zugeordnet werden können. Mit $i = 1$, ... , $M$ gilt:

$$m \in \{m_i \}, \hspace{0.2cm} s(t) \in \{s_i(t) \}\hspace{-0.1cm}: m = m_i \hspace{0.1cm} \Leftrightarrow \hspace{0.1cm} s(t) = s_i(t) \hspace{0.05cm}.$$

Für das Folgende setzen wir weiter voraus, dass die $M$ Signale $s_i(t)$ energiebegrenzt sind, was meist gleichzeitig bedeutet, dass sie nur von endlicher Dauer sind.

$\text{Satz:}$  Eine jede Menge $\{s_1(t), \text{...}, s_M(t)\}$ energiebegrenzter Signale lässt sich in $N \le M$ orthonormale Basisfunktionen $\varphi_1(t), \text{...}, \varphi_N(t)$ entwickeln, wobei gilt:

$$s_i(t) = \sum\limits_{j = 1}^{N}s_{ij} \cdot \varphi_j(t) , \hspace{0.3cm}i = 1,\hspace{0.05cm} ...\hspace{0.1cm} , M, \hspace{0.3cm}j = 1,\hspace{0.05cm} ... \hspace{0.1cm}, N \hspace{0.05cm}.$$

Jeweils zwei Basisfunktionen $\varphi_j(t)$ und $\varphi_k(t)$ müssen orthonormal zueinander sein, das heißt, es muss gelten ($\delta_{jk}$ nennt man das Kronecker–Symbol oder das „Kronecker-Delta”):

$$<\hspace{-0.1cm}\varphi_j(t), \hspace{0.05cm}\varphi_k(t) \hspace{-0.1cm}> = \int_{-\infty}^{+\infty}\varphi_j(t) \cdot \varphi_k(t)\,d \it t = {\rm \delta}_{jk} = \left\{ \begin{array}{c} 1 \\ 0 \end{array} \right.\quad \begin{array}{*{1}c} {\rm falls}\hspace{0.1cm}j = k \\ {\rm falls}\hspace{0.1cm} j \ne k \\ \end{array} \hspace{0.05cm}.$$


Der Parameter $N$ gibt dabei an, wieviele Basisfunktionen $\varphi_j(t)$ benötigt werden, um die $M$ möglichen Sendesignale darzustellen. Mit anderen Worten: $N$ ist die Dimension des Vektorraums, der von den $M$ Signalen aufgespannt wird. Dabei gilt:

  • Ist $N = M$, so sind alle Sendesignale zueinander orthogonal. Sie sind nicht notwendigerweise orthonormal, das heißt, die Energien $E_i = <\hspace{-0.1cm}s_i(t), \hspace{0.05cm}s_i(t) \hspace{-0.1cm}>$ können durchaus ungleich Eins sein.
  • Der Fall $N < M$ ergibt sich, wenn mindestens ein Signal $s_i(t)$ als Linearkombination von Basisfunktionen $\varphi_j(t)$ dargestellt werden kann, die sich aus anderen Signalen $s_j(t) \ne s_i(t)$ ergeben haben.


$\text{Beispiel 1:}$  Wir betrachten $M = 3$ energiebegrenzte Signale gemäß der Grafik. Man erkennt sofort:

  • Die Signale $s_1(t)$ und $s_2(t)$ sind zueinander orthogonal.
  • Die Energien sind $E_1 = A^2 \cdot T = E$ und $E_2 = (A/2)^2 \cdot T = E/4$.
  • Die Basisfunktionen $\varphi_1(t)$ und $\varphi_2(t)$ sind jeweils formgleich mit $s_1(t)$ bzw. $s_2(t)$ und beide besitzen die Energie Eins:
$$\varphi_1(t)=\frac{s_1(t)}{\sqrt{E_1} } = \frac{s_1(t)}{\sqrt{A^2 \cdot T} } = \frac{1}{\sqrt{ T} } \cdot \frac{s_1(t)}{A}\hspace{0.95cm}\Rightarrow \hspace{0.1cm}s_1(t) = s_{11} \cdot \varphi_1(t)\hspace{0.05cm},\hspace{0.1cm}s_{11} = \sqrt{E}\hspace{0.05cm},$$
$$\varphi_2(t) =\frac{s_2(t)}{\sqrt{E_2} } = \frac{s_2(t)}{\sqrt{(A/2)^2 \cdot T} } = \frac{1}{\sqrt{ T} } \cdot \frac{s_2(t)}{A/2}\hspace{0.05cm}\hspace{0.1cm}\Rightarrow \hspace{0.1cm}s_2(t) = s_{21} \cdot \varphi_2(t)\hspace{0.05cm},\hspace{0.1cm}s_{21} = \frac{\sqrt{E} }{2}\hspace{0.05cm}.$$
  • s3(t) durch die Basisfunktionen φ1(t) und φ2(t) ausgedrückt werden kann:
$$s_3(t) =s_{31} \cdot \varphi_1(t) + s_{32} \cdot \varphi_2(t)\hspace{0.05cm},$$
$$s_{31} = {A}/{2} \cdot \sqrt {T}= {\sqrt{E} }/{2}\hspace{0.05cm}, \hspace{0.2cm}s_{32} = - A \cdot \sqrt {T} = -\sqrt{E} \hspace{0.05cm}.$$
Darstellung der Sendesignale durch Basisfunktionen

Im rechten unteren Bild sind die Signale in einer 2D–Darstellung mit den Basisfunktionen φ1(t) und φ2(t) als Achsen dargestellt, wobei E = A2 · T gilt und der Zusammenhang zu den anderen Grafiken durch die Farbgebung zu erkennen ist. Die vektoriellen Repräsentanten der Signale s1(t), s2(t) und s3(t) in diesem zweidimensionellen Vektorraum lassen sich daraus wie folgt ablesen:

$$\mathbf{s}_1 = (\sqrt{ E}, \hspace{0.1cm}0), \hspace{0.2cm} \mathbf{s}_2 = (0, \hspace{0.1cm}\sqrt{ E}/2), \hspace{0.2cm} \mathbf{s}_3 = (\sqrt{ E}/2,\hspace{0.1cm}-\sqrt{ E} ) \hspace{0.05cm}.$$


Das Verfahren nach Gram-Schmidt (1)


Im Beispiel auf der letzten Seite war die Angabe der beiden orthonormalen Basisfunktionen φ1(t) und φ2(t) sehr einfach, da diese formgleich mit s1(t) und s2(t) waren. Das Gram–Schmidt–Verfahren findet die Basisfunktionen φ1(t), ... , φN(t) für beliebig vorgebbare Signale s1(t), ... , sM(t), und zwar wie folgt:

  • Die erste Basisfunktion φ1(t) ist formgleich mit s1(t). Es gilt:
\[\varphi_1(t) = \frac{s_1(t)}{\sqrt{E_1}} = \frac{s_1(t)}{|| s_1(t)||} \hspace{0.3cm}\Rightarrow \hspace{0.3cm} || \varphi_1(t) || = 1, \hspace{0.2cm}s_{11} =|| s_1(t)||,\hspace{0.2cm}s_{1j} = 0 \hspace{0.2cm}{\rm f{\rm \ddot{u}r }}\hspace{0.2cm} j \ge 2 \hspace{0.05cm}.\]
  • Es wird nun angenommen, dass aus den Signalen s1(t), ... , sk–1(t) bereits die Basisfunktionen φ1(t), ... , φn–1(t) berechnet wurden (nk). Dann berechnen wir mittels sk(t) die Hilfsfunktion
\[\theta_k(t) = s_k(t) - \sum\limits_{j = 1}^{n-1}s_{kj} \cdot \varphi_j(t) \hspace{0.4cm}{\rm mit}\hspace{0.4cm} s_{kj} = \hspace{0.1cm} < \hspace{-0.1cm} s_k(t), \hspace{0.05cm}\varphi_j(t) \hspace{-0.1cm} >, \hspace{0.2cm} j = 1, ... \hspace{0.1cm}, n-1\hspace{0.05cm}.\]
  • Ist θk(t) ≡ 0  ⇒  ||θk(t)|| = 0, so liefert sk(t) keine neue Basisfunktion. Vielmehr lässt sich dann sk(t) durch die n–1 bereits vorher gefundenen Basisfunktionen φ1(t), ... , φn–1(t) ausdrücken:
\[s_k(t) = \sum\limits_{j = 1}^{n-1}s_{kj}\cdot \varphi_j(t) \hspace{0.05cm}.\]
  • Eine neue Basisfunktion (nämlich die n–te) ergibt sich, falls ||θk(t)|| ≠ 0 ist:
\[\varphi_n(t) = \frac{\theta_k(t)}{|| \theta_k(t)||} \hspace{0.3cm}\Rightarrow \hspace{0.3cm} || \varphi_n(t) || = 1\hspace{0.05cm}.\]

Diese Prozedur kann fortgesetzt werden, bis alle M Signale berücksichtigt wurden. Danach hat man alle NM orthonormalen Basisfunktionen φj(t) gefunden. Der Sonderfall N = M ergibt sich nur dann, wenn alle M Signale linear voneinander unabhängig sind.

Auf der nächsten Seite wird das Gram–Schmidt–Verfahren an einem einfachen Beispiel verdeutlicht. Wir verweisen auch auf das folgende Interaktionsmodul:

Gram–Schmidt–Verfahren

Das Verfahren nach Gram-Schmidt (2)


: Wir betrachten die M = 4 energiebegrenzten Signale s1(t), ... , s4(t) entsprechend der Grafik. Zur Vereinfachung der Berechnungen ist hier sowohl die Amplitude als auch die Zeit normiert. Man erkennt:
  • Die Basisfunktion φ1(t) ist formgleich mit s1(t). Wegen E1 = ||s1(t)||2 = 3 · 0.52 = 0.75 ergibt sich s11 = ||s1(t)|| = 0.866. φ1(t) selbst besitzt abschnittsweise die Werte ±0.5/0.866 = ±0.577.
  • Zur Berechnung der Hilfsfunktion θ2(t) berechnen wir
\[s_{21} \hspace{-0.1cm} = \hspace{-0.1cm}\hspace{0.1cm} < \hspace{-0.1cm} s_2(t), \hspace{0.05cm}\varphi_1(t) \hspace{-0.1cm} > \hspace{0.1cm} = 0 \cdot (+0.577) + 1 \cdot (-0.577)+ 0 \cdot (-0.577)= -0.577\]
\[ \hspace{-0.1cm}\Rightarrow \hspace{-0.1cm} \hspace{0.3cm}\theta_2(t) = s_2(t) - s_{21} \cdot \varphi_1(t) = (0.333, 0.667, -0.333)\]
\[ \hspace{-0.1cm}\Rightarrow \hspace{-0.1cm} \hspace{0.3cm}|| \theta_2(t) ||^2 = (1/3)^2 + (2/3)^2 + (-1/3)^2 = 0.667\]
\[ \hspace{-0.1cm}\Rightarrow \hspace{-0.1cm} \hspace{0.3cm} s_{22} = \sqrt{0.667} = 0.816,\hspace{0.2cm} \varphi_2(t) = \theta_2(t)/s_{22} = (0.408, 0.816, -0.408)\hspace{0.05cm}. \]
  • Die inneren Produkte zwischen s3(t) mit φ1(t) bzw. φ2(t) liefern folgende Ergebnisse:
\[s_{31} \hspace{0.1cm} = \hspace{0.1cm} < \hspace{-0.1cm} s_3(t), \hspace{0.07cm}\varphi_1(t) \hspace{-0.1cm} > \hspace{0.1cm} = 0.5 \cdot (+0.577) + 0.5 \cdot (-0.577)- 0.5 \cdot (-0.577)= 0.289\]
\[s_{32} \hspace{0.1cm} = \hspace{0.1cm} < \hspace{-0.1cm} s_3(t), \hspace{0.07cm}\varphi_2(t) \hspace{-0.1cm} > \hspace{0.1cm} = 0.5 \cdot (+0.408) + 0.5 \cdot (+0.816)- 0.5 \cdot (-0.408)= 0.816\]
\[ \hspace{0.1cm}\Rightarrow \hspace{-0.1cm} \hspace{0.3cm}\theta_3(t) = s_3(t) - 0.289 \cdot \varphi_1(t)- 0.816 \cdot \varphi_2(t) = 0\hspace{0.05cm}.\]
Das bedeutet: Die grüne Funktion s3(t) liefert keine neue Basisfunktion φ3(t), im Gegensatz zur Funktion s4(t). Die numerischen Ergebnisse hierfür können der Grafik entnommen werden.
Zum Gram-Schmidt-Verfahren


Basisfunktionen komplexer Zeitsignale


In der Nachrichtentechnik hat man es oft mit komplexen Zeitfunktionen zu tun,

  • nicht etwa, weil es komplexe Signale in der Realität gibt, sondern
  • weil die Beschreibung eines BP–Signals im äquivalenten TP–Bereich zu komplexen Signalen führt.

Die Bestimmung der NM komplexwertigen Basisfunktionen ξk(t) aus den M komplexen Signalen si(t) kann ebenfalls mit dem Gram–Schmidt–Verfahren erfolgen, doch ist nun zu berücksichtigen, dass das innere Produkt zweier komplexer Signale x(t) und y(t) wie folgt zu berechnen ist:

\[< \hspace{-0.1cm}x(t), \hspace{0.1cm}y(t)\hspace{-0.1cm} > \hspace{0.1cm} = \int_{-\infty}^{+\infty}x(t) \cdot y^{\star}(t)\,d \it t \hspace{0.05cm}.\]

Die entsprechenden Gleichungen lauten nun mit  i = 1, ... , M  und  k = 1, ... , N:

\[s_i(t) = \sum\limits_{k = 1}^{N}s_{ik} \cdot \xi_k(t),\hspace{0.2cm}s_i(t) \in {\cal C},\hspace{0.2cm}s_{ik} \in {\cal C} ,\hspace{0.2cm}\xi_k(t) \in {\cal C} \hspace{0.05cm},\]

\[< \hspace{-0.1cm}\xi_k(t),\hspace{0.1cm} \xi_j(t)\hspace{-0.1cm} > \hspace{0.1cm} = \int_{-\infty}^{+\infty}\xi_k(t) \cdot \xi_j^{\star}(t)\,d \it t = {\rm \delta}_{ik} = \left\{ \begin{array}{c} 1 \\ 0 \end{array} \right.\quad \begin{array}{*{1}c}{\rm falls}\hspace{0.15cm} k = j \\ {\rm falls}\hspace{0.15cm} k \ne j \\ \end{array}\hspace{0.05cm}.\]

Natürlich lässt sich jede komplexe Größe auch durch zwei reelle Größen – nämlich durch den Realteil und den Imaginärteil – ausdrücken. Somit erhält man hier folgende Gleichungen:

\[s_{i}(t) \hspace{-0.1cm} = \hspace{-0.1cm} s_{{\rm I}i}(t) + {\rm j} \cdot s_{{\rm Q}i}(t), \hspace{0.2cm} s_{{\rm I}i}(t) = {\rm Re} [s_{i}(t)], \hspace{0.2cm} s_{{\rm Q}i}(t) = {\rm Im} [s_{i}(t)],\]

\[\xi_{k}(t) \hspace{-0.1cm} = \hspace{-0.1cm} \varphi_k(t) + {\rm j} \cdot \psi_k(t), \hspace{0.2cm} \varphi_k(t) = {\rm Re} [\xi_{k}(t)], \hspace{0.2cm} \psi_k(t) = {\rm Im} [\xi_{k}(t)],\]

\[\hspace{0.35cm} s_{ik} \hspace{-0.1cm} = \hspace{-0.1cm} s_{{\rm I}ik} + {\rm j} \cdot s_{{\rm Q}ik}, \hspace{0.2cm} s_{{\rm I}ik} = {\rm Re} [s_{ik}], \hspace{0.2cm} s_{{\rm Q}ik} = {\rm Im} [s_{ik}],\]

\[ \hspace{0.35cm} s_{{\rm I}ik} \hspace{-0.1cm} = \hspace{-0.1cm}{\rm Re}[\hspace{0.1cm} < \hspace{-0.1cm} s_i(t), \hspace{0.15cm}\varphi_k(t) \hspace{-0.1cm} > \hspace{0.1cm}], \hspace{0.2cm}s_{{\rm Q}ik} = {\rm Re}[\hspace{0.1cm} < \hspace{-0.1cm} s_i(t), \hspace{0.15cm}{\rm j} \cdot \psi_k(t) \hspace{-0.1cm} > \hspace{0.1cm}] \hspace{0.05cm}. \]

Die Nomenklatur ergibt sich aus der Hauptanwendung für komplexe Basisfunktionen, nämlich der Quadratur–Amplitudenmodulation (QAM). Der Index „I” steht für Inphasekomponente und gibt den Realteil an, während die Quadraturkomponente (Imaginärteil) mit dem Index „Q” gekennzeichnet ist.

Um Verwechslungen mit der imaginären Einheit zu vermeiden, sind hier die komplexen Basisfunktionen ξk(t) mit „k” induziert und nicht mit „j”.

Dimension der Basisfunktionen (1)


Bei der Basisbandübertragung sind die möglichen Sendesignale (Betrachtung nur einer Symboldauer) \[s_i(t) = a_i \cdot g_s(t), \hspace{0.2cm} i = 0, ...\hspace{0.05cm} , M-1,\]


wobei gs(t) den Sendegrundimpuls angibt und die ai in Kapitel 1 und Kapitel 2 als die möglichen Amplitudenkoeffizienten bezeichnet wurden. Anzumerken ist, dass im bisherigen Kapitel 4.1 für die Laufvariable i die Werte 1 bis M vorausgesetzt wurden und nicht wie hier 0 bis M – 1.

Nach der Beschreibung dieses Kapitels handelt es sich unabhängig von der Stufenzahl M um ein eindimensionales Modulationsverfahren (N = 1), wobei bei der Basisbandübertragung

  • die Basisfunktion φ1(t) gleich dem energienormierten Sendegrundimpuls gs(t) ist:
\[\varphi_1(t) ={g_s(t)}/{\sqrt{E_{gs}}} \hspace{0.3cm}{\rm mit}\hspace{0.3cm} E_{gs} = \int_{-\infty}^{+\infty}g_s^2(t)\,d \it t \hspace{0.05cm},\]
  • die dimensionslosen Amplitudenkoeffizienten ai in die Signalraumpunkte si umgerechnet werden können, die die Einheit „Wurzel aus Energie” aufweisen.

Die Grafik zeigt die Signalraumkonstellationen für die binäre unipolare (oben), die binäre bipolare (Mitte) sowie die quaternäre bipolare (unten) Basisbandübertragung. Rechts sind am Beispiel „Rechteckimpuls” die zwei bzw. vier möglichen Sendesignale si(t) angegeben. Man kann daraus auch den Zusammenhang zwischen Signalenergie E und Impulsamplitude A erkennen. Die jeweils linken Darstellungen auf der φ1–Achse gelten aber unabhängig von der Form des Sendegrundimpulses gs(t), nicht nur für Rechtecke.

Eindimensionale Modulationsverfahren

  • Die Grafik beschreibt gleichzeitig die eindimensionalen Trägerfrequenzsysteme On–Off–Keying (oben), BPSK bzw. 2–ASK (Mitte) und 4–ASK (unten).
  • Die Signale si(t) und die Basisfunktion φ1(t) beziehen sich dann auf den äquivalenten TP–Bereich. Im BP–Bereich ist φ1(t) eine auf den Zeitbereich 0 ≤ tT begrenzte harmonische Schwingung.

Dimension der Basisfunktionen (2)


Zu den zweidimensionalen Modulationsverfahren (N = 2) gehören

  • M–stufiges Phase Shift Keying (M–PSK),
  • Quadratur–Amplitudenmodulation (4–QAM, 16–QAM, 64–QAM, ...),
  • binäres (orthogonales) Frequency Shift Keying (2–FSK).

Allgemein ist bei orthogonaler FSK die Anzahl N der Basisfunktionen φk(t) gleich der Anzahl M der möglichen Sendesignale si(t). N = 2 ist deshalb nur für M = 2 möglich.

Signalraumkonstellationen für M-PSK und QAM

Die linke Grafik zeigt die 8–PSK–Konstellation. Beschränkt man sich auf die rot umrandeten Punkte, so liegt eine 4–PSK (Quaternary Phase Shift Keying, QPSK) vor.

Die rechte Grafik bezieht sich auf die 16–QAM beziehungsweise – wenn man nur die rot umrandeten Signalraumpunkte betrachtet – auf die 4–QAM. Ein Vergleich der beiden Bilder zeigt, dass die 4–QAM mit der QPSK bei entsprechender Achsenskalierung identisch ist.

Die Grafiken beschreiben die Modulationsverfahren sowohl im Bandpass– als auch im äquivalenten Tiefpassbereich:

  • Bei der Betrachtung als Bandpass–System sind die Basisfunktionen φ1(t) und φ2(t) cosinusförmig bzw. (minus–)sinusförmig – vergleiche hierzu Aufgabe A4.2.
  • Dagegen ist nach der Transformation der QAM–Systeme in den äquivalenten Tiefpassbereich die Basisfunktion φ1(t) gleich dem energienormierten (Energie 1) Sendegrundimpuls gs(t), während φ2(t) = j · φ1(t) zu setzen ist. Sie finden Näheres hierzu in der Aufgabe Z4.2.

Aufgaben


A4.1 Gram-Schmidt-Verfahren

Zusatzaufgaben:4.1 Andere Basisfunktionen

A4.2 AM/PM-Schwingungen

Zusatzaufgaben:4.2 Achtstufiges Phase Shift Keying

A4.3 Unterschiedliche Frequenzen

Quellenverzeichnis

  1. 1,0 1,1 Kötter, R., Zeitler, G.: Nachrichtentechnik 2. Vorlesungsmanuskript, Lehrstuhl für Nachrichtentechnik, Technische Universität München, 2008.
  2. Wozencraft, J. M.; Jacobs, I. M.: Principles of Communication Engineering. New York: John Wiley & Sons, 1965.
  3. Kramer, G.: Nachrichtentechnik 2. Vorlesungsmanuskript, Lehrstuhl für Nachrichtentechnik, Technische Universität München, 2010.