Aufgabe 3.1: Kausalitätsbetrachtungen

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Zwei Vierpolschaltungen

Die Grafik zeigt oben den Vierpol mit der Übertragungsfunktion $$H_1(f) = \frac{{\rm j}\cdot f/f_{\rm G}}{1+{\rm j}\cdot f/f_{\rm G}} \hspace{0.05cm},$$

wobei $f_{\rm G}$ die 3dB–Grenzfrequenz angibt: $$f_{\rm G} = \frac{R}{2 \pi \cdot L} \hspace{0.05cm}.$$

Durch Hintereinanderschalten $n$ gleich aufgebauter Vierpole $H_1(f)$ kommt man zu der Übertragungsfunktion $$H_n(f) = \left [H_1(f)\right ]^n =\frac{\left [{\rm j}\cdot f/f_{\rm G}\right ]^n}{\left [1+{\rm j}\cdot f/f_{\rm G}\right ]^n} \hspace{0.05cm}.$$

Vorausgesetzt ist hierbei eine geeignete Widerstandsentkopplung, die aber zur Lösung dieser Aufgabe nicht von Bedeutung ist. Die untere Grafik zeigt zum Beispiel die Realisierung der Übertragungsfunktion $H_2(f)$.

In dieser Aufgabe wird ein solcher Vierpol im Hinblick auf seine Kausalitätseigenschaften betrachtet. Bei einem jeden kausalen System erfüllen der Real– und der Imaginärteil der Spektralfunktion $H(f)$ die Hilbert–Transformation, was durch das folgende Kurzzeichen ausgedrückt wird: $${\rm Im} \left\{ H(f) \right \} \quad \bullet\!\!-\!\!\!-\!\!\!-\!\!\hspace{-0.05cm}\rightarrow\quad {\rm Re} \left\{ H(f) \right \}\hspace{0.05cm}.$$

Da die Hilbert–Transformation nicht nur für Übertragungsfunktionen, sondern auch für Zeitsignale wichtige Aussagen liefert, wird die Korrespondenz häufig durch die allgemeine Variable $x$ ausgedrückt, die je nach Anwendungsfall als normierte Frequenz oder als normierte Zeit zu interpretieren ist.

Hinweise:


Fragebogen

1

Wie kann $H_1(f)$ charakterisiert werden?

$H_1(f)$ beschreibt einen Tiefpass.
$H_1(f)$ beschreibt einen Hochpass.

2

Beschreibt $H_1(f)$ ein kausales Netzwerk?

Ja.
Nein.

3

Berechnen Sie die Übertragungsfunktion $H_2(f)$. Welcher komplexe Wert ergibt sich für $f = f_{\rm G})$?

${\rm Re}{H_2(f = f_{\rm G})} \ =$

${\rm Im}{H_2(f = f_{\rm G})} \ =$

4

Welche der nachfolgenden Aussagen treffen zu?

$H_2(f)$ beschreibt ein kausales System.
$(x^4 - x^2)/(x^4 +2 x^2 + 1)$ und $2x^3/(x^4 +2 x^2 + 1)$ sind ein Hilbert–Paar.
Für $n > 2$ ist die Kausalitätsbedingung nicht erfüllt.


Musterlösung

(1)  Mit der angegebenen Übertragungsfunktion kann man nach dem Spannungsteilerprinzip $$H_1(f = 0) = 0, \hspace{0.2cm}H_1(f \rightarrow \infty) = 1$$

berechnen   ⇒  Es handelt sich um einen Hochpass. Für sehr niedrige Frequenzen stellt die Induktivität $L$ einen Kurzschluss dar.


(2)  Jedes reale Netzwerk ist kausal. Die Impulsantwort $h(t)$ ist gleich dem Ausgangssignal $y(t)$, wenn zum Zeitpunkt $t= 0$ am Eingang ein extrem kurzfristiger Impuls – ein so genannter Diracimpuls – angelegt wird. Aus Kausalitätsgründen kann dann natürlich am Ausgang nicht schon für Zeiten $t< 0$ ein Signal auftreten: $$y(t) = h(t) = 0 \hspace{0.2cm}{\rm{f\ddot{u}r}} \hspace{0.2cm} t<0 \hspace{0.05cm}.$$

Formal lässt sich dies folgendermaßen zeigen: Die Hochpass–Übertragungsfunktion $H_1(f)$ kann wie folgt umgeformt werden: $$H_1(f) = \frac{{\rm j}\cdot f/f_{\rm G}}{1+{\rm j}\cdot f/f_{\rm G}} = 1- \frac{1}{1+{\rm j}\cdot f/f_{\rm G}} \hspace{0.05cm}.$$

Die zweite Übertragungsfunktion beschreibt die zu $H_1(f)$ äquivalente Tiefpassfunktion, die im Zeitbereich zur Exponentialfunktion führt. Die „1” wird zu einer Diracfunktion. Mit $T = 2\pi \cdot f_{\rm G}$ gilt somit für $t \ge 0$: $$h_1(t) = \delta(t) - {1}/{T} \cdot {\rm e}^{-t/T} \hspace{0.05cm}.$$

Für $t< 0$ gilt dagegen $h_1(t)= 0$, womit die Kausalität nachgewiesen wäre   ⇒   Antwort Ja.


(3)  Die Hintereinanderschaltung zweier Hochpässe führt zu folgender Übertragungsfunktion: $$\begin {align*}H_2(f) = \left [H_1(f)\right ]^2 & =\frac{\left [{\rm j}\cdot f/f_{\rm G}\right ]^2}{\left [1+{\rm j}\cdot f/f_{\rm G}\right ]^2} =\frac{\left [{\rm j}\cdot f/f_{\rm G}\right ]^2 \cdot \left [(1-{\rm j}\cdot f/f_{\rm G})\right ]^2} {\left [(1+{\rm j}\cdot f/f_{\rm G}) \cdot (1-{\rm j}\cdot f/f_{\rm G})\right ]^2}= \\ & = \frac{(f/f_{\rm G})^4 - (f/f_{\rm G})^2 +{\rm j}\cdot 2 \cdot (f/f_{\rm G})^3)} {\left [1+(f/f_{\rm G})^2 \right ]^2}\hspace{0.05cm}.\end {align*}$$

Mit $f = f_{\rm G}$ folgt daraus: $$H_2(f = f_{\rm G}) = \frac{1 - 1 +{\rm j}\cdot 2} {4}= {\rm j} /{2} \hspace{0.5cm}\Rightarrow \hspace{0.5cm}{\rm Re} \left\{ H_2(f = f_{\rm G}) \right \} = 0, \hspace{0.4cm} {\rm Im} \left\{ H_2(f = f_{\rm G}) \right \} \hspace{0.15cm}\underline{ = 0.5}\hspace{0.05cm}.$$


(4)  Richtig sind hier die beiden ersten Lösungsvorschläge:

  • Da für $t < 0$ die Impulsantwort $h_1(t) = 0$ ist, erfüllt auch die Faltungsoperation $h_2(t) = h_1(t) \star h_1(t)$ die Kausalitätsbedingung. Ebenso ergibt die $n$–fache Faltung eine kausale Impulsantwort:   $h_n(t) = 0 \hspace{0.2cm}{\rm{f\ddot{u}r}} \hspace{0.2cm} t<0 \hspace{0.05cm}.$
  • Bei kausaler Impulsantwort $h_2(t)$ hängen aber der Real– und der Imaginärteil der Spektralfunktion $H_2(f)$ über die Hilbert–Transformation zusammen. Mit der Abkürzung $x = f/f_{\rm G}$ < und dem Ergebnis der Teilaufgabe (3) gilt somit:
$$\frac{x^4- x^2}{x^4+2 x^2+1} \quad \bullet\!\!-\!\!\!-\!\!\!-\!\!\hspace{-0.05cm}\rightarrow\quad \frac{2x^3}{x^4+2 x^2+1}\hspace{0.05cm}.$$