Kanalcodierung/Decodierung von Faltungscodes: Unterschied zwischen den Versionen

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== Weitere Decodierverfahren für Faltungscodes ==
 
== Weitere Decodierverfahren für Faltungscodes ==
 
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Wir haben uns bisher in diesem Kapitel nur mit dem Viterbi&ndash;Algorithmus beschäftigt, der 1967 von A. J. Viterbi veröffentlicht wurde. Erst 1974 hat G. D. Forney nachgewiesen, dass dieser Algorithmus eine Maximum&ndash;Likelihood&ndash;Decodierung von Faltungscodes durchführt.<br>
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Wir haben uns bisher in diesem Kapitel nur mit dem Viterbi&ndash;Algorithmus beschäftigt, der 1967 von A. J. Viterbi in [Vit67]<ref>Viterbi, A.J.: ''Error Bounds for Convolutional Codes and an Asymptotically Optimum Decoding Algorithm''. In: IEEE Transactions on Information Theory, vol. IT-13, pp. 260-269, April 1967.</ref> veröffentlicht wurde. Erst 1974 hat [https://de.wikipedia.org/wiki/David_Forney G. D. Forney] nachgewiesen, dass dieser Algorithmus eine Maximum&ndash;Likelihood&ndash;Decodierung von Faltungscodes durchführt.<br>
  
 
Aber schon in den Jahren zuvor waren viele Wissenschaftler sehr bemüht, effiziente Decodierverfahren für die 1955 erstmals von Peter Elias beschriebenen Faltungscodes bereitzustellen. Zu nennen sind hier unter Anderem &ndash; genauere Beschreibungen findet man beispielsweise in [Bos99]<ref>Bossert, M.: ''Channel Coding for Telecommunications.'' Wiley & Sons, 1999.</ref>.  
 
Aber schon in den Jahren zuvor waren viele Wissenschaftler sehr bemüht, effiziente Decodierverfahren für die 1955 erstmals von Peter Elias beschriebenen Faltungscodes bereitzustellen. Zu nennen sind hier unter Anderem &ndash; genauere Beschreibungen findet man beispielsweise in [Bos99]<ref>Bossert, M.: ''Channel Coding for Telecommunications.'' Wiley & Sons, 1999.</ref>.  

Version vom 2. Dezember 2017, 15:24 Uhr

Blockschaltbild und Voraussetzungen


Ein wesentlicher Vorteil der Faltungscodierung ist, dass es hierfür mit dem Viterbi–Algorithmus ein sehr effizientes Decodierverfahren gibt. Dieser von Andrew James Viterbi entwickelte Algorithmus wurde bereits im Kapitel Viterbi–Empfänger des Buches „Digitalsignalübertragung” im Hinblick auf seinen Einsatz zur Entzerrung im Detail beschrieben.

Systemmodell zur Beschreibung der Decodierung von Faltungscodes

Für seinen Einsatz als Faltungsdecodierer gehen wir von folgendem Blockschaltbild und den folgenden Voraussetzungen aus:

  • Die Informationssequenz u_=(u1, u2, ... ) ist hier im Gegensatz zur Beschreibung der linearen Blockcodes   ⇒   Hauptkapitel 1 oder von Reed–Solomon–Codes   ⇒   Hauptkapitel 2 im allgemeinen unendlich lang („semi–infinite”). Für die Informationssymbole gilt stets ui{0,1}.
  • Die Codesequenz x_=(x1, x2, ...) mit xi{0,1} hängt außer von u_ auch noch von der Coderate R=1/n, dem Gedächtnis m und der Übertragungsfunktionsmatrix G(D) ab. Bei endlicher Anzahl L an Informationsbits sollte der Faltungscode durch Anfügen von m Nullen terminiert werden:
u_=(u1,u2,...,uL,0,...,0)x_=(x1,x2,...,x2L,x2L+1,...,x2L+2m).
  • Der nachfolgend beschriebene Viterbi–Algorithmus liefert eine Schätzung z_ für die Codesequenz x_ und eine weitere Schätzung υ_ für die Informationssequenz u_. Dabei gilt:
Pr(z_x_)!=MinimumPr(υ_u_)!=Minimum.

Fazit:  Der Viterbi–Algorithmus sucht bei einem digitalen Kanalmodell (zum Beispiel BSC) von allen möglichen Codesequenzen x_ diejenige Sequenz z_ mit der minimalen Hamming–Distanz dH(x_,y_) zur Empfangssequenz y_:

z_=argminx_CdH(x_,y_)=argmaxx_CPr(y_|x_).

Das bedeutet auch: Der Viterbi–Algorithmus erfüllt das Maximum–Likelihood–Kriterium.


Vorbemerkungen zu den nachfolgenden Decodierbeispielen


Für die Beispiele in diesem Kapitels gelten stets folgende Voraussetzungen:

Trellis zur Decodierung der Empfangssequenz y_


  • Standard–Faltungscodierer:
    Rate R=1/2,Gedächtnis m=2;
  • Übertragungsfunktionsmatrix:
    G(D)=(1+D+D2,1+D2);
  • Länge der Informationssequenz: L=5;
  • Berücksichtigung der Terminierung: L=7;
  • Länge der Sequenzen x_ und y_: jeweils 14 Bit;
  • Aufteilung gemäß y_=(y_1, y_2, ... , y_7)
    ⇒   Bitpaare y_i{00,01,10,11};
  • Viterbi–Decodierung mittels Trellisdiagramms:
roter Pfeil ⇒   Hypothese ui=0,
blauer Pfeil ⇒   Hypothese ui=1;
  • neben den Pfeilen: Hypothetische Codesequenz x_i{00,01,10,11};
  • alle hypothetischen Größen mit Apostroph.


Wir gehen stets davon aus, dass die Viterbi–Decodierung auf der Hamming–Distanz dH(x_i, y_i) zwischen dem Empfangswort y_i und den vier möglichen Codeworten xi{00,01,10,11} basiert. Dann gehen wir wie folgt vor:

  • In den noch leeren Kreisen werden die Fehlergrößen Γi(Sμ) der Zustände Sμ(0μ3) zu den Zeitpunkten i eingetragen. Der Startwert ist stets Γ0(S0)=0.
  • Die Fehlergrößen für i=1 und i=2 ergeben sich zu
Γ1(S0)=dH((00),y_1),Γ1(S1)=dH((11),y_1),
Γ2(S0)=Γ1(S0)+dH((00),y_2),Γ2(S1)=Γ1(S0)+dH((11),y_2),
Γ2(S2)=Γ1(S1)+dH((10),y_2),Γ2(S3)=Γ1(S1)+dH((01),y_2).
  • Ab dem Zeitpunkt i=3 hat das Trellisdiagramm seine Grundform erreicht, und zur Berechnung aller Γi(Sμ) muss jeweils das Minimum zwischen zwei Summen ermittelt werden:
Γi(S0)=Min[Γi1(S0)+dH((00),y_i),Γi1(S2)+dH((11),y_i)],
Γi(S1)=Min[Γi1(S0)+dH((11),y_i),Γi1(S2)+dH((00),y_i)],
Γi(S2)=Min[Γi1(S1)+dH((10),y_i),Γi1(S3)+dH((01),y_i)],
Γi(S3)=Min[Γi1(S1)+dH((01),y_i),Γi1(S3)+dH((10),y_i)].
  • Von den zwei an einem Knoten Γi(Sμ) ankommenden Zweigen wird der schlechtere (der zu einem größeren Γi(Sμ) geführt hätte) eliminiert. Zu jedem Knoten führt dann nur noch ein einziger Zweig.
  • Sind alle Fehlergrößen bis einschließlich i=7 ermittelt, so kann der Viterbi–Algotithmus mit der Suche das zusammenhängenden Pfades vom Ende des Trellis ⇒ Γ7(S0) bis zum Anfang ⇒ Γ0(S0) abgeschlossen werden.
  • Durch diesen Pfad liegen dann die am wahrscheinlichsten erscheinende Codesequenz z_ und die wahrscheinlichste Informationssequenz v_ fest.
  • Nicht für alle Empfangssequenzen y_ gilt aber z_=x_ und v_=u_. Das heißt: Bei zu vielen Übertragungsfehlern versagt auch der Viterbi–Algorithmus.

Erstellen des Trellis im fehlerfreien Fall – Fehlergrößenberechnung


Zunächst gehen wir von der Empfangssequenz y_=(11,01,01,11,11,10,11) aus, die hier – wegen der Codewortlänge n=2 – bereits in Bitpaare y_1, ... , y_7 unterteilt ist. Die in das Trellis eingetragenen Zahlenwerte und die verschiedenen Stricharten werden im folgenden Text erklärt.

Viterbi–Schema für den Empfangsvektor y_=(11,01,01,11,11,10,11)
  • Ausgehend vom Initialwert Γ0(S0)=0 kommt man mit y_1=(11) durch Addition der Hamming-Distanzen dH((00), y_1)=2 bzw. dH((11), y_1)=0 zu den Fehlergrößen Γ1(S0)=2, Γ1(S1)=0.
  • Im zweiten Decodierschritt gibt es Fehlergrößen für alle vier Zustände: Mit y_2=(01) erhält man:
Γ2(S0)=Γ1(S0)+dH((00),(01))=2+1=3,
Γ2(S1)=Γ1(S0)+dH((11),(01))=2+1=3,
Γ2(S2)=Γ1(S1)+dH((10),(01))=0+2=2,
Γ2(S3)=Γ1(S1)+dH((01),(01))=0+0=0.
  • In allen weiteren Decodierschritten müssen jeweils zwei Werte verglichen werden, wobei dem Knoten Γi(Sμ) stets der kleinere Wert zugewiesen wird. Beispielsweise gilt für i=3 mit y_3=(01):
Γ3(S0)=min[Γ2(S0)+dH((00),(01)),Γ2(S2)+dH((11),(01))]=min[3+1,2+1]=3,
Γ3(S3)=min[Γ2(S1)+dH((01),(01)),Γ2(S3)+dH((10),(01))]=min[3+0,0+2]=2.
  • Ab i=6 wird im betrachteten Beispiel die Terminierung des Faltungscodes wirksam. Hier sind nur noch zwei Vergleiche zur Bestimmung von Γ6(S0) und Γ6(S2) anzustellen, und für i=7 nur noch ein Vergleich mit dem Endergebnis Γ7(S0).


Die Beschreibung des Viterbi–Decodiervorgangs wird auf der nächsten Seite fortgesetzt.

Auswerten des Trellis im fehlerfreien Fall – Pfadsuche


Nachdem alle Fehlergrößen Γi(Sμ) – in dem vorliegenden Beispiel für 1i7 und 0μ3 – ermittelt wurden, kann der Viterbi–Decoder mit der Pfadsuche beginnen:

  • Die Grafik zeigt das Trellis nach Abschluss der Fehlergrößenberechnung. Alle Kreise sind mit Zahlenwerten belegt. Allerding ist der in der Grafik bereits eingezeichnete wahrscheinlichste Pfad noch nicht bekannt.
  • Von den jeweils zwei an einem Knoten ankommenden Zweigen wird stets nur derjenige bei der abschließenden Pfadsuche herangezogen, der zur minimalen Fehlergröße Γi(Sμ) geführt hat. Die „schlechten” Zweige werden verworfen. Sie sind in obiger Grafik jeweils punktiert dargestellt.

Viterbi–Pfadsuche für für den Empfangsvektor y_=(11,01,01,11,11,10,11)

Die Pfadsuche läuft wie folgt ab:

  • Ausgehend vom Endwert Γ7(S0) wird in Rückwärtsrichtung ein zusammenhängender Pfad bis zum Startwert Γ0(S0) gesucht. Erlaubt sind nur die durchgezogenen Zweige. Punktierte Linien können nicht Teil des ausgewählten Pfades sein.
  • Der ausgewählte Pfad durchläuft von rechts nach links die Zustände S0S2S1S0S2S3S1S0 und ist in der Grafik grau markiert. Es gibt keinen zweiten durchgehenden Pfad von Γ7(S0) zu Γ0(S0). Das bedeutet: Das Decodierergebnis ist eindeutig.
  • Das Ergebnis v_=(1,1,0,0,1,0,0) des Viterbi–Decoders hinsichtlich der Informationssequenz erhält man, wenn man für den durchgehenden Pfad – nun aber in Vorwärtsrichtung von links nach rechts – die Farben der einzelnen Zweige auswertet (rot entspricht einer 0, blau einer 1).

Aus dem Endwert Γ7(S0)=0 erkennt man, dass in diesem ersten Beispiel keine Übertragungsfehler vorlagen:

  • Das Decodierergebnis z_ stimmt also mit dem Empfangsvektor y_=(11,01,01,11,11,10,11) und der tatsächlichen Codesequenz x_ überein.
  • Außerdem ist v_ bei fehlerfreier Übertragung nicht nur die nach dem ML–Kriterium wahrscheinlichste Informationssequenz u_, sondern es gilt dann sogar die Identität:   v_u_.

Anmerkung: Bei der beschriebenen Decodierung wurde von der bereits in der Überschrift enthaltenen Information „Fehlerfreier Fall” natürlich kein Gebrauch gemacht wurde. Es folgen zwei Beispiele zur Viterbi–Decodierung für den fehlerbehafteten Fall .

Decodierbeispiele für den fehlerbehafteten Fall

Beispiel 1:  Wir gehen hier vom Empfangsvektor y_=(11,11,10,00,01,01,11) aus, der keine gültige Codesequenz x_ darstellt. Die Berechnung der Fehlergrößen Γi(Sμ) geschieht wie auf der Seite Vorbemerkungen beschrieben und auf den beiden letzten Seite für den fehlerfreien Fall demonstriert.

Decodierbeispiel mit zwei Bitfehlern

Als Resümee dieses ersten Beispiels mit obigem Trellis ist festzuhalten:

  • Auch hier lässt sich ein eindeutiger Pfad (dunkelgraue Markierung) zurückverfolgen, der zu den folgenden Ergebnissen führt (erkennbar an den Beschriftungen bzw. den Farben dieses Pfades):
z_=(00,11,10,00,01,01,11),
υ_=(0,1,0,1,1,0,0).
  • Der Vergleich der am wahrscheinlichsten gesendeten Codesequenz z_ mit dem Empfangsvektor y_ zeigt, dass hier zwei Bitfehler (gleich am Beginn) vorlagen. Da aber der verwendete Faltungscode die freie Distanz dF=5 aufweist, führen zwei Fehler noch nicht zu einem falschen Decodierergebnis.
  • Es gibt andere Pfade wie zum Beispiel den heller markierten Pfad (S0S1S3S3S3S2S0S0), die zunächst als vielversprechend erscheinen. Erst im letzten Decodierschritt (i=7) kann dieser hellgraue Pfad endgültig verworfen werden.
  • Dieses Beispiel zeigt, dass eine zu frühe Entscheidung oft zu einem Decodierfehler führt, und man erkennt auch die Zweckmäßigkeit der Terminierung: Bei endgültiger Entscheidung zum Zeitpunkt i=5 (dem Ende der eigentlichen Informationssequenz) wären die Sequenzen (0,1,0,1,1) und (1,1,1,1,0) noch als gleichwahrscheinlich angesehen worden.

Anmerkung: Bei der Berechnung von Γ5(S0)=3 und Γ5(S1)=3 führen hier jeweils die beiden Vergleichszweige zur gleichen minimalen Fehlergröße. In der Grafik sind diese beiden Sonderfälle durch Strichpunktierung markiert.

In diesem Beispiel hat dieser Sonderfall keine Auswirkung auf die Pfadsuche. Der Algorithmus erwartet trotzdem stets eine Entscheidung zwischen zwei konkurrierenden Zweigen. In der Praxis hilft man sich dadurch, dass man bei Gleichheit einen der beiden Pfade zufällig auswählt.


Beispiel 2:  Im diesem Beispiel gehen wir von folgenden Voraussetzungen bezüglich Quelle und Coder aus:

u_=(1,1,0,0,1,0,0)x_=(11,01,01,11,11,10,11).
Decodierbeispiel mit drei Bitfehlern

Aus der Grafik erkennt man, dass sich hier der Decoder trotz dreier Bitfehler für den richtigen Pfad (dunkle Hinterlegung) entscheidet.

  • Es gibt also nicht immer eine Fehlentscheidung, wenn mehr als dF/2 Bitfehler aufgetreten sind.
  • Aber bei statistischer Verteilung der drei Übertragungsfehler würde häufiger falsch entschieden als richtig.


Beispiel 3:  Auch hier gelte

u_=(1,1,0,0,1,0,0)x_=(11,01,01,11,11,10,11).

Im Unterschied zum Beispiel 2 ist aber noch ein vierter Bitfehler in Form von y_7=(01) hinzugefügt.

Decodierbeispiel mit vier Bitfehlern
  • Nun führen beide Zweige im Schritt i=7 zur minimalen Fehlergröße Γ7(S0)=4, erkennbar an den strichpunktierten Übergängen. Entscheidet man sich im dann erforderlichen Losverfahren für den dunkel hinterlegten Pfad, so wird auch bei vier Bitfehlern noch die richtige Entscheidung getroffen:  v_=(1,1,0,0,1,0,0).
  • Andernfalls kommt es zu einer Fehlentscheidung. Je nachdem, wie das Auswürfeln im Schritt i=6 zwischen den beiden strichpunktierten Konkurrenten ausgeht, entscheidet man sich entweder für den violetten oder den hellgrauen Pfad. Mit dem richtigen Pfad haben beide wenig gemein.


Zusammenhang zwischen Hamming–Distanz und Korrelation


Insbesondere beim BSC–Modell – aber auch bei jedem anderen Binärkanal   ⇒   Eingang xi{0,1}, Ausgang yi{0,1} wie zum Beispiel dem Gilbert–Elliott–Modell – liefert die Hamming–Distanz dH(x_, y_) genau die gleiche Information über die Ähnlichkeit der Eingangsfolge x_ und der Ausgangsfolge y_ wie das innere Produkt. Nimmt man an, dass die beiden Folgen in bipolarer Darstellung vorliegen (gekennzeichnet durch Tilden) und dass die Folgenlänge jeweils L ist, so gilt für das innere Produkt:

<˜x_,˜y_>=Li=1˜xi˜yimit˜xi=12xi,˜yi=12yi,˜xi,˜yi{1,+1}.

Wir bezeichnen dieses innere Produkt manchmal auch als „Korrelationswert”. Die Anführungszeichen sollen darauf hinweisen, dass der Wertebereich eines Korrelationskoeffizienten eigentlich ±1 ist.

Beispiel 4:  Wir betrachten hier zwei Binärfolgen der Länge L=10.

  • Links dargestellt sind die unipolaren Folgen x_ und y_ sowie das Produkt x_y_. Man erkennt die Hamming–Distanz dH(x_, y_)=6  ⇒  sechs Bitfehler an den Pfeilpositionen. Das innere Produkt x_y_=0 hat hier keine Aussagekraft. Zum Beispiel ist 0_y_ unabhängig von y_ stets Null.
  • Die Hamming–Distanz dH=6 erkennt man auch aus der bipolaren (antipodalen) Darstellung der rechten Grafik. Die „Korrelationswert” hat aber nun den richtigen Wert 4(+1)+6(1)=2. Es gilt der deterministische Zusammenhang zwischen den beiden Größen mit der Folgenlänge L:
<˜x_,˜y_>=L2dH(˜x_,˜y_).
Zusammenhang zwischen Haming–Distanz und „Korrelation”


Fazit:  Interpretieren wir nun diese Gleichung für einige Sonderfälle:

  • Identische Folgen: Die Hamming–Distanz ist gleich 0 und der „Korrelationswert” gleich L.
  • Invertierte: Folgen: Die Hamming–Distanz ist gleich L und der „Korrelationswert” gleich L.
  • Unkorrelierte Folgen: Die Hamming–Distanz ist gleich L/2, der „Korrelationswert” gleich 0.

Viterbi–Algorithmus, basierend auf Korrelation und Metriken


Mit den Erkenntnissen der letzten Seite lässt sich der Viterbi–Algorithmus auch wie folgt charakterisieren.

Alternative Beschreibung:  Der Viterbi–Algorithmus sucht von allen möglichen Codesequenzen x_C die Sequenz z_ mit dem maximalen „ Korrelationswert” zur Empfangssequenz y_:

z_=argmaxx_C˜x_,˜y_mit˜x_=12x_,˜y_=12y_.

  ...  bezeichnet einen „Korrelationswert” entsprechend den Aussagen auf der letzten Seite. Die Tilden weisen wieder auf die bipolare (antipodale) Darstellung hin.


Die Grafik zeigt die diesbezügliche Trellisauswertung. Zugrunde liegt wie für die Trellisauswertung gemäß Beispiel 1 – basierend auf der minimalen Hamming–Distanz und den Fehlergrößen Γi(Sμ) – wieder

Viterbi–Decodierung, basierend auf Korrelation und Metrik
  • der Standard–Faltungscodierer:
    Rate R=1/2,Gedächtnis m=2;
  • die Übertragungsfunktionsmatrix:
    G(D)=(1+D+D2,1+D2);
  • Länge der Informationssequenz: L=5;
  • Berücksichtigung der Terminierung: L=7;
  • der Empfangsvektor y_=(11,11,10,00,01,01,11)
  • Viterbi–Decodierung mittels Trellisdiagramms:
roter Pfeil ⇒   Hypothese ui=0,
blauer Pfeil ⇒   Hypothese ui=1.

Beide Darstellungen ähneln sich sehr.
Ebenso wie die Suche nach der Sequenz mit der minimalen Hamming–Distanz geschieht auch die Suche nach dem maximalen Korrelationswert schrittweise:

  • Die Knoten bezeichnet man hier als die Metriken Λi(Sμ). Die englische Bezeichnung hierfür ist Cumulative Metric, während Branch Metric den Metrikzuwachs angibt.
  • Der Endwert Λ7(S0)=10 gibt den „Korrelationswert” zwischen der ausgewählten Folge z_ und dem Empfangsvektor y_ an. Im fehlerfreien Fall ergäbe sich Λ7(S0)=14.

Die folgende Detailbeschreibung der Trellisauswertung beziehen sich auf das obige Trellisdiagramm:

  • Die Metriken zum Zeitpunkt i=1 ergeben sich mit y_1=(11) zu
Λ1(S0)=<(00),(11)>=<(+1,+1),(1,1)>=2,
Λ1(S1)=<(11),(11)>=<(1,1),(1,1)>=+2.
  • Entsprechend gilt zum Zeitpunkt i=2 mit y_2=(11):
Λ2(S0)=Λ1(S0)+<(00),(11)>=22=4,
Λ2(S1)=Λ1(S0)+<(11),(11)>=2+2=0,
Λ2(S2)=Λ1(S1)+<(10),(11)>=+2+0=+2,
Λ2(S3)=Λ1(S1)+<(01),(11)>=+2+0=+2.
  • Ab dem Zeitpunkt i=3 muss eine Entscheidung zwischen zwei Metriken getroffen werden. Beispielsweise erhält man mit y_3=(10) für die oberste und die unterste Metrik im Trellis:
Λ3(S0)=max[Λ2(S0)+<(00),(11)>,Λ2(S1)+<(00),(11)>]=max[4+0,+2+0]=+2,
Λ3(S3)=max[Λ2(S1)+<(01),(10)>,Λ2(S3)+<(10),(10)>]=max[0+0,+2+2]=+4.

Vergleicht man die zu zu maximierenden Metriken Λi(Sμ) mit den zu minimierenden Fehlergrößen Γi(Sμ) gemäß Beispiel 1, so erkennt man den folgenden deterministischen Zusammenhang:

Λi(Sμ)=2[iΓi(Sμ)].

Die Auswahl der zu den einzelnen Decodierschritten überlebenden Zweige ist bei beiden Verfahren identisch, und auch die Pfadsuche liefert das gleiche Ergebnis.


Fazit: 

  • Beim Binärkanal – zum Beispiel dem BSC–Modell – führen die beiden beschriebenen Viterbi–Varianten Fehlergrößenminimierung und Metrikmaximierung zum gleichen Ergebnis.
  • Beim AWGN–Kanal ist die Fehlergrößenminimierung nicht anwendbar, da keine Hamming–Distanz zwischen dem binären Eingang x_ und dem analogen Ausgang y_ angegeben werden kann.
  • Ein weiterer Vorteil der Metrikmaximierung ist, dass eine Zuverlässigkeitsinformation über die Empfangswerte y_ in einfacher Weise berücksichtigt werden kann.


Viterbi–Entscheidung bei nicht–terminierten Faltungscodes


Bisher wurde stets ein terminierter Faltungscode der Länge L=L+m betrachtet, und das Ergebnis des Viterbi–Decoders war der durchgehende Trellispfad vom Startzeitpunkt (i=0) bis zum Ende (i=L).

  • Bei nicht–terminierten Faltungscodes (L) ist diese Entscheidungsstrategie nicht anwendbar.
  • Hier muss der Algorithmus abgewandelt werden, um in endlicher Zeit eine bestmögliche Schätzung (gemäß Maximum–Likelihood) der einlaufenden Bits der Codesequenz liefern zu können.

Der Grafik zeigt im oberen Teil ein beispielhaftes Trellis für

  • „unseren” Standard–Codierer   ⇒   R=1/2, m=2, G(D)=(1+D+D2, 1+D2),
  • die Nullfolge   ⇒   u_=0_=(0,0,0, ...)   ⇒   x_=0_=(00,00,00, ...),
  • jeweils einen Übertragungsfehler bei i=4 und i=5.

Anhand der Stricharten erkennt man erlaubte (durchgezogene) und verbotene (punktierte) Pfeile in rot (ui=0) und blau (ui=1). Punktierte Linien haben einen Vergleich gegen einen Konkurrenten verloren und können nicht Teil des ausgewählten Pfades sein.

Beispielhaftes Trellis und überlebende Pfade

Der untere Teil der Grafik zeigt die 2m überlebenden Pfade Φ9(Sμ) zum Zeitpunkt i=9.

  • Man findet diese Pfade am einfachsten von rechts nach links.
  • Die folgende Angabe zeigt die durchlaufenen Zustände Sμ allerdings in Vorwärtsrichtung:
Φ9(S0):S0S0S0S0S0S0S0S0S0S0,
Φ9(S1):S0S0S0S0S1S2S1S3S2S1,
Φ9(S2):S0S0S0S0S1S2S1S2S1S2,
Φ9(S3):S0S0S0S0S1S2S1S2S1S3.

Zu früheren Zeitpunkten i würden sich andere überlebende Pfade Φi(Sμ) ergeben. Deshalb definieren wir:

Definition:  Der überlebende Pfad (englisch: Survivor) Φi(Sμ) ist der durchgehende Pfad vom Start S0 (bei i=0) zum Knoten Sμ zum Zeitpunkt i. Empfehlenswert ist die Pfadsuche in Rückwärtsrichtung.


Die folgende Grafik zeigt die überlebenden Pfade für die Zeitpunkte i=6 bis i=9. Zusätzlich sind die jeweiligen Metriken Λi(Sμ) für alle vier Zustände angegeben.

Die überlebenden Pfade Φ6, ... , Φ9

Diese Grafik ist wie folgt zu interpretieren:

  • Zum Zeitpunkt i=9 kann noch keine endgültige ML–Entscheidung über die ersten neun Bit der Informationssequenz getroffen werden. Allerdings ist bereits sicher, dass die wahrscheinlichste Bitfolge durch einen der Pfade Φ9(S0), ...0 , Φ9(S3) richtig wiedergegeben wird.
  • Da alle vier Pfade bei i=3 zusammenlaufen, ist die Entscheidung „v1=0,v2=0, v3=0” die bestmögliche (hellgraue Hinterlegung). Auch zu einem späteren Zeitpunkt würde keine andere Entscheidung getroffen werden. Hinsichtlich der Bits v4, v5, ... sollte man sich zu diesem frühen Zeitpunkt noch nicht festlegen.
  • Müsste man zum Zeitpunkt i=9 eine Zwangsentscheidung treffen, so würde man sich für Φ9(S0)   ⇒   v_=(0,0, ... ,0) entscheiden, da die Metrik Λ9(S0)=14 größer ist als die Vergleichsmetriken.
  • Die Zwangsentscheidung zum Zeitpunkt i=9 führt in diesem Beispiel zum richtigen Ergebnis. Zum Zeitpunkt i=6 wäre ein solcher Zwangsentscheid falsch gewesen   ⇒   v_=(0,0,0,1,0,1), und zu den Zeitpunten i=7 bzw. i=8 nicht eindeutig.


Weitere Decodierverfahren für Faltungscodes


Wir haben uns bisher in diesem Kapitel nur mit dem Viterbi–Algorithmus beschäftigt, der 1967 von A. J. Viterbi in [Vit67][1] veröffentlicht wurde. Erst 1974 hat G. D. Forney nachgewiesen, dass dieser Algorithmus eine Maximum–Likelihood–Decodierung von Faltungscodes durchführt.

Aber schon in den Jahren zuvor waren viele Wissenschaftler sehr bemüht, effiziente Decodierverfahren für die 1955 erstmals von Peter Elias beschriebenen Faltungscodes bereitzustellen. Zu nennen sind hier unter Anderem – genauere Beschreibungen findet man beispielsweise in [Bos99][2].

  • Sequential Decoding von J. M. Wozencraft und B. Reifen aus dem Jahre 1961,
  • der Vorschlag von R. M. Fano (1963), der als Fano–Algorithmus bekannt wurde,
  • die Arbeiten von K. Zigangirov (1966) und F. Jelinek (1969), deren Decodierverfahren häufig als Stack–Algorithmus bezeichnet wird.

Alle diese Decodierverfahren und auch der Viterbi–Algorithmus in seiner bisher beschriebenen Form liefern „hart” entschiedene Ausgangswerte ⇒ υi{0,1}. Oftmals wären jedoch Informationen über die Zuverlässigkeit der getroffenen Entscheidungen wünschenswert, insbesondere dann, wenn ein verkettetes Codierschema mit einem äußeren und einem inneren Code vorliegt.

Kennt man die Zuverlässigkeit der vom inneren Decoder entschiedenen Bits zumindest grob, so kann durch diese Information die Bitfehlerwahrscheinlichkeit des äußeren Decoders (signifikant) herabgesetzt werden. Der von J. Hagenauer in [Hag90][3] vorgeschlagene Soft–Output–Viterbi–Algorithmus (SOVA) erlaubt es, zusätzlich zu den entschiedenen Symbolen auch jeweils ein Zuverlässigkeitsmaß anzugeben.

Abschließend gehen wir noch etwas genauer auf den BCJR–Algorithmus ein, benannt nach dessen Erfinder L. R. Bahl, J. Cocke, F. Jelinek und J. Raviv [BCJR74][4]. Während der Viterbi–Algorithmus nur eine Schätzung der Gesamtsequenz vornimmt  ⇒  block–wise ML, schätzt der BCJR–Algorithmus ein einzelnes Symbol (Bit) unter Berücksichtigung der gesamten empfangenen Codesequenz. Es handelt sich hierbei also um eine symbolweise Maximum–Aposteriori–Decodierung  ⇒  bit–wise MAP.

Der Unterschied zwischen Viterbi–Algorithmus und BCJR–Algorithmus soll – stark vereinfacht – am Beispiel eines terminierten Faltungscodes dargestellt werden:

  • Der Viterbi–Algorithmus arbeitet das Trellis nur in einer Richtung – der Vorwärtsrichtung – ab und berechnet für jeden Knoten die Metriken Λi(Sμ). Nach Erreichen des Endknotens wird der überlebende Pfad gesucht, der die wahrscheinlichste Codesequenz kennzeichnet.
  • Beim BCJR–Algorithmus wird das Trellis zweimal abgearbeitet, einmal in Vorwärtsrichtung und anschließend in Rückwärtsrichtung. Für jeden Knoten sind dann zwei Metriken angebbar, aus denen für jedes Bit die Aposterori–Wahrscheinlichkeit bestimmt werden kann.

Hinweis: Diese Kurzzusammenfassung basiert auf dem Lehrbuch [Bos98][5]. Eine etwas ausführlichere Beschreibung des BCJR–Algorithmus' folgt im Kapitel 4.1.

Aufgaben zum Kapitel


A3.9 Viterbi–Algorithmus: Grundlegendes

Zusatzaufgaben:3.9 Nochmals Viterbi–Algorithmus

A3.10 Fehlergrößenberechnung

Zusatzaufgaben:3.10 ML–Decodierung von Faltungscodes

A3.11 Viterbi–Pfadsuche

Quellenverzeichnis

  1. Viterbi, A.J.: Error Bounds for Convolutional Codes and an Asymptotically Optimum Decoding Algorithm. In: IEEE Transactions on Information Theory, vol. IT-13, pp. 260-269, April 1967.
  2. Bossert, M.: Channel Coding for Telecommunications. Wiley & Sons, 1999.
  3. Hagenauer, J.: Soft Output Viterbi Decoder. In: Technischer Report, Deutsche Forschungsanstalt für Luft- und Raumfahrt (DLR), 1990.
  4. Bahl, L.R.; Cocke, J.; Jelinek, F.; Raviv, J.: Optimal Decoding of Linear Codes for Minimizing Symbol Error Rate. In: IEEE Transactions on Information Theory, Vol. IT-20, S. 284-287, 1974.
  5. Bossert, M.: Kanalcodierung. Stuttgart: B. G. Teubner, 1998.