Wir betrachten ein binäres Übertragungssystem mit
- der Quellensymbolfolge ⟨qν⟩ und
- der Sinkensymbolfolge ⟨vν⟩.
Stimmen Sinkensymbol vν und Quellensymbol qν nicht überein, so liegt ein Bitfehler vor ⇒ eν=1.
Ansonsten gilt eν=0.
(A) Ein wichtiges Beurteilungskriterium ist die Bitfehlerwahrscheinlichkeit (englisch: "Bit Error Probability").
- Mit dem Erwartungswert E[ ...] ist diese ist wie folgt definiert:
- pB=E[Pr(vν≠qν)]=E[Pr(eν=1)]=lim
- Der rechte Teil dieser Gleichung beschreibt eine Zeitmittelung; diese muss zum Beispiel bei zeitvarianten Kanälen stets angewandt werden.
- Ist die Fehlerwahrscheinlichkeit für alle Symbole gleich (was hier vorausgesetzt wird), so kann man die obige Gleichung vereinfachen:
- \it p_{\rm B} = \rm E\big[\rm Pr(\it e_{\nu}=\rm 1)\big]=\rm E\big[\it e_{\nu} \rm \big].
- Die Bitfehlerwahrscheinlichkeit ist eine "A-priori-Kenngröße", erlaubt also eine Vorhersage für das zu erwartende Resultat.
\rm (B) Zur messtechnischen Ermittlung/Systemsimulation der Übertragungsqualität muss auf die Bitfehlerquote (englisch: "Bit Error Rate") übergegangen werden:
- Die Bitfehlerquote ist eine A-posteriori-Kenngröße, die aus einem durchgeführten statistischem Experiment als relative Häufigkeit abgeleitet wird:
- h_{\rm B}=\frac{n_{\rm B}}{N}=\frac{\rm 1}{\it N}\cdot\sum\limits_{\it \nu=\rm 1}^{\it N} e_{\nu}.
- n_{\rm B} gibt die Anzahl der aufgetretenen im Experiment Bitfehler an, wenn insgesamt N Binärsymbole übertragen wurden.
- Im Grenzfall N \to \infty stimmt die relative Häufigkeit h_{\rm B} mit der Wahrscheinlichkeit p_{\rm B} überein. Hier soll nun die Frage geklärt werden, mit welcher statistischen Unsicherheit bei endlichem N gerechnet werden muss.
Hinweise:
- Die Aufgabe gehört zum Kapitel Gaußverteilte Zufallsgrößen.
- Lösen Sie die Aufgaben so weit wie möglich allgemein. Verwenden Sie zur Kontrolleingabe die Parameterwerte p_{\rm B} = 10^{-3} und N = 10^{5}.
- Nachfolgend finden Sie einige Werte der sogenannten Q-Funktion:
- \rm Q(\rm 1.00)=\rm 0.159,\hspace{0.5cm}\rm Q(\rm 1.65)=\rm 0.050,\hspace{0.5cm}\rm Q(\rm 1.96)=\rm 0.025,\hspace{0.5cm}\rm Q(\rm 2.59)=\rm 0.005.
Fragebogen
Musterlösung
- Bezüglich der Zufallsgröße n_{\rm B} liegt der klassische Fall einer Binomialverteilung vor.
- Es wird die Summe über N binäre Zufallsgrößen gebildet. Die möglichen Werte von n_{\rm B} liegen somit zwischen 0 und N.
- Der lineare Mittelwert ergibt m_{n{\rm B}}=p_{\rm B}\cdot N=\rm 10^{-3}\cdot 10^{5}=\rm 100.
(2) Für die Streuung der Binomialverteilung gilt mit guter Näherung:
- \sigma_{n{\rm B}}=\sqrt{N\cdot p_{\rm B}\cdot (\rm 1- \it p_{\rm B}{\rm )}} \hspace{0.15cm}\underline{\approx 10}.
(3) Mögliche Werte von h_{\rm B} sind alle ganzzahligen Vielfachen von 1/N. Diese liegen alle zwischen 0 und 1.
- Für den Mittelwert erhält man:
- m_{h{\rm B}}=m_{n{\rm B}}/N=p_{\rm B} = 10^{-3}.
- Die Streuung ergibt sich zu
- \sigma_{h{\rm B}}=\frac{\sigma_{n{\rm B}}}{N}=\sqrt{\frac{ p_{\rm B}\cdot (\rm 1- \it p_{\rm B}{\rm )}}{N}}\hspace{0.15cm}\underline{\approx \rm 0.0001}.
(4) Richtig ist der erste Vorschlag. Es gilt:
- {\rm Pr}(h_{\rm B} > p_{\rm B} + \varepsilon)=\rm Q({\it\varepsilon}/{\it\sigma_{h{\rm B}}}),
- \rm Pr(\it h_{\rm B} < p_{\rm B} - \varepsilon {\rm )}=\rm Q(\it{\varepsilon}/{\sigma_{h{\rm B}}}{\rm )}
- \Rightarrow \hspace{0.5cm}\rm Pr(\it |h_{\rm B} - p_{\rm B}| \le \varepsilon \rm )=\rm 1-\rm 2\cdot \rm Q({\it \varepsilon}/{\it \sigma_{h{\rm B}}}).
(5) Man erhält mit den Zahlenwerten \varepsilon = \sigma_{h{\rm B}} = 10^{-4}:
- p_{\varepsilon}=\rm 1-\rm 2\cdot \rm Q(\frac{\rm 10^{\rm -4}}{\rm 10^{\rm -4}} {\rm )}=\rm 1-\rm 2\cdot\rm Q(\rm 1)\hspace{0.15cm}\underline{\approx\rm 0.684}.
In Worten: Bestimmt man die Bitfehlerquote per Simulation über 10^5 Symbole, so erhält man mit einem Konfidenzniveau von \underline{68.4\%} einen Wert zwischen 0.9 \cdot 10^{-3} und 1.1 \cdot 10^{-3}, wenn p_{\rm B} = 10^{-3} ist.
(6) Aus der Beziehung p_{\varepsilon}=\rm 1-\rm 2\cdot {\rm Q}(\alpha) = 0.95 folgt direkt:
- \alpha_{\rm min}=\rm Q^{\rm -1}\Big(\frac{\rm 1-\it p_{\varepsilon}}{\rm 2}\Big)=\rm Q^{\rm -1}(\rm 0.025)\hspace{0.15cm}\underline{=\rm 1.96}\hspace{0.15cm}{\approx\rm 2}.
(7) Es muss \alpha = \varepsilon/\sigma_{h{\rm B}} gelten. Mit dem Ergebnis der Teilaufgabe (2) folgt dann:
- \frac{\varepsilon}{\sqrt{p_{\rm B}\cdot(\rm 1-\it p_{\rm B})/N}}\ge {\rm 2} \hspace{0.5cm}\Rightarrow\hspace{0.5cm} N\ge \frac{\rm 4\cdot \it p_{\rm B}\cdot(\rm 1-\it p_{\rm B})}{\varepsilon^{\rm 2}}\approx \frac{\rm 4\cdot 10^{-3}}{10^{-8}}\hspace{0.15cm}\underline{=\rm 400\hspace{0.08cm}000}.